AMORGOS – 3 x anders

Die Nacht im Cockpit bei ¾-Mond und Sternenhimmel ist phantastisch in unserer Bucht!

Im Morgengrauen beobachten wir geruhsam den blauen Himmel als auch das mittlerweile leicht gekräuselte Wasser und hören von der Ferne leichtes Grollen,  Sepp erzählt von einem kleinen nächtlichen Gewitter im Westen. Wir unterhalten uns weiter und schauen nochmal die Wetterberichte durch – sie haben sich deutlich verschlechtert: Regen und Wind sind jetzt in der Vorhersage prominent für die nächsten Stunden bzw. sogar Tage. Vielleicht sollten wir „Plan Levitha“ nochmal überdenken….

Kurze Zeit später – ja – nur einige wenige Minuten später (!) – ist der Himmel im Westen nicht mehr mit Schäfchen-Wolken verziert, sondern eine dicke schwarze Walze rückt an! Und das mit rasanter Geschwindigkeit! Gerade noch dachten wir, dass diese düsteren Wolken meilenweit entfernt sind, und schon haben die Vorläufer dieser beeindruckenden dunklen Masse unsere Insel, Amorgos, erreicht!

Brainstorming, ob Levitha ja oder nein, ist somit abgeschlossen. Nichts wie hinein in den Hafen Katapola und nach kurzer Hafenerkundung beschließen wir, mit Buganker und Heckleinen neben eine blaue Jeanneau, in etwa in unserer Länge, an den Pier zu gehen.

Es beginnt zu tröpfeln und der Wind frischt deutlich auf. Bis zu 30 Knoten. Und mittlerweile regnet es ordentlich.

Dementsprechend schwierig gestaltet sich das Anlegemanöver.

Es sind zwar Gestalten auf den anderen Booten zu sehen, auch auf der blauen Jeanneau, aber…. Irgendwann kommt ein Mann von einem Boot weiter weg und hilft dankenswerterweise.

Angelegt – puh!

Leider hält der Buganker nicht – hilft nix – Anker hoch, Landleinen lösen und nochmal raus.

Anker neu setzen, wieder retour und anlegen. Es regnet nach wie vor ordentlich, der Wind hat etwas nachgelassen.

Bei diesem Anlegemanöver lässt sich weder auf den Booten noch an Land jemand sehen, geschweige denn, es würde jemand tatkräftig unterstützen.

Die Jeanneau neben uns mit ihren gut 12 m hat zwei Baby-Fender auf unserer Seite draussen. Neugeborenen-Größe.

Dann ist es ja klar, dass nicht einmal die Angst um ihr eigenes Boot sie aus dem Saloon herausgetrieben hat, nichtmal als ich beim 1. Anlegemanöver an ihrem Bug gerüttelt habe….  *sarkasmus pur*

Zum Vergleich: Auf der Backbord- als auch auf der Steuerbord-Seite von Vitamine mit ihren 11,9 m, hängen als Schutz je 3 Fender in Erwachsenengröße, zusätzlich ein kleiner Kugelfender für den schnellen Gebrauch.

Hm…. Bis jetzt habe ich Franzosen aufgrund meiner positiven Erfahrungen im Nicht-Segler-Leben immer verteidigt, wenn die Meinung aufkam, sie seien hochnäsig und unhöflich. Vielleicht sind französische Segler anders. Wobei … es liegen nicht nur Franzosen hier, eine deutsche Flagge ist auf jeden Fall auch dabei….

In einer Regenpause vertäuen wir sicherheitshalber die  Vitamine noch mit 2 zusätzlichen Festmachern zur Mittelklampfe – der Wind bläst nach wie vor ordentlich!

Der Skipper der blauen Jeanneau hatte den gleichen Gedanken, und kurze Zeit später sitzen wir gemeinsam bei einem Gläschen Sämling bei uns im Saloon und Herr Stolz präsentiert uns stolz auf seinen mitgebrachten Skipper-Landkarten, auf welchen griechischen Inseln er schon überall gewesen ist, erzählt uns Anekdoten und gibt uns wertvolle Tipps!

Als er beim gemeinsamen Werken während der Regenpause hörte, dass unser nächstes Ziel Levitha ist, ist er aufgeblüht und meinte, die Inseln im griechischen Norden und Osten, die kennt er wie seine Westentasche! Und von Levitha kommt er gerade!

Jetzt kennen wir seine Westentasche – mindestens zu ¾. *smile*

Und er motiviert uns, endlich unsere bis jetzt zurückgelegte Route auf unserer Saloon-Karte einzutragen:

Fotoooooooooooooooooooo – routenverlauf

Trotz des guten Internets + der Stromversorgung am Pier zieht es uns, sobald der Wind nachlässt und die Sonne wieder lacht, hinaus – Levitha ruft!

Wir setzen die Segel mal zur Hälfte – das reicht uns für´s Erste bei den 20 Knoten, die uns, kaum draussen vom Hafen, empfangen.

Es geht guuut voran, bald sind wir an der Nord-Spitze von Amorgos. Und wir überdenken nochmal unsere heutige Route, denn WIR sind zwar unter blauem Himmel, aber rechts und hinter uns ist es zappenduster, immer wieder erhellt von einem Blitz. Und wir wollen nach „rechts“.

Auch über Amorgos wird es dunkler und den schwarzen Wolken kann man zusehen, wie sie die Berghänge hinunterkriechen. Als die Gewitter auch vor uns sind, ist die Entscheidung leicht gefallen:

Kursänderung, wir steuern nochmal Amorgos an, diesmal die Bucht im Norden, offen gegen Westen,  mit dem Hafen Gialis.

Ein Boot ist abgesehen von uns noch unterwegs und steuert weit vor uns die gleiche Bucht an, etliche Minuten später sehen wir, wie es – eine Fähre – wieder aus der Bucht herausfährt.

Als wir um die Buchtspitze segeln, trifft der Wind voll auf uns. Die Segel sind schleunigst weggepackt und auch unter Motor ist es ein Ding der Unmöglichkeit, bei diesem starken Gegenwind Vitamine auf Kurs zu halten.

Unser Vorwärtskommen ähnelt wohl eher dem Gang eines ordentlich Betrunkenen und nicht dem einer grazilen Gazelle. *lach* Der – bzw. Die Windanzeige erhöht bis auf 39,8 Knoten.

Und es beginnt zu regnen und schüttet bald wie aus Kübeln.

Somit haben wir heute zum 2. Mal das Glück, in strömendem Regen und mit prächtig Wind anlegen zu können – na das soll uns mal einer nachmachen! *lach*

Nach Ortung der Hafenlage gehen wir längsseits an den letzten Zipfel am Pier, mit unserem Bug ganz knapp an das Heck eines großen Fischerbootes. Wir bemühen uns, den Fähren den Platz nicht streitig zu machen – die großen Reifen und andere aufgezogene Gummi-Schutz-Vorrichtungen am Pier verraten, dass hier „Groß-Getier“ unterwegs ist. Schließlich wollen wir ja nicht inhaliert werden von so einem Ungetüm.

Außerdem machen wir uns noch Gedanken, ob unsere kleine Vitamine von der dicken Kette in der Nähe des Hecks, mit der einer der großen Reifen am Pier festgemacht ist, in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

Sicherheitshalber nehmen wir noch zusätzliche Spring-Leinen (Festmacher, die in diesem Fall von der Mittelklampfe nach vorne und nach hinten gehen, um eine stärkere Vorwärts- und Rückwärtsbewegung von Vitamine zu verhindern) und bringen den Bug näher an den Pier, sodass es zu einer leichten Schrägstellung von Vitamine kommt und das Heck automatisch weiter vom Pier und somit vom angeketteten Reifen, entfernt ist. Und ganz sicherheitshalber kommen noch 2 Fender auf Höhe des Reifens, falls Vitamine doch Kontakt aufnehmen möchte. So kann Vitamine sicher tanzen.

Zwei nette Burschen vom Fischerboot vor uns kommen gerade vom Landgang zurück und bedeuten mir unter Zuhilfenahme von Händen und Füssen, dass „big boat“ auf der Breitseite anlegt und wir somit genau richtig liegen.

Nicht immer ist mir klar, was der Käpt´n mir mit Händen und Füssen begreiflich machen will, so bin ich eine Zeitlang irritiert und versuche, den Sinn dahinter zu ergründen, bis ich merke, dass auch er tanzt!

Und so tanzen wir am Pier im strömenden Regen des nächtens bei 20-30 Knoten Wind und singen „Singing in the rain“!