Leinen los – Afrika adé!
Amerika – wir kommen!
20 Knoten Wind – und das fast auf die Nase und das bereits kurz, nach dem wir Lamin Lodge (unseren Wohlfühlplatz für die letzten 2 Monate) und Banjul (der Hauptstadt von Gambia) Lebewohl gewunken haben.
SO haben wir uns den Start in unser Atlantikabenteuer ganz und gar nicht vorgestellt!
Nach 2 Monaten im absolut ruhigen Gambia-River an Boje, in denen die höchsten Schaukel-Gefühle durch uns selbst herbeigeführt wurden.
Tja…. 20 Knoten Wind – Vitamine bolzt in prächtiger Kränkung hart am Wind und neigt sich höchst anmutig in die Wellen – hurra – sie kann es noch!
Können wir es auch noch?
Können wir unsere „Landbeine“ den Anforderungen entsprechend in rasanter Geschwindigkeit in „Seebeine“ umtauschen?
Normalerweise brauchen sie Zeit zum Wachsen, heißt es.
Normalerweise braucht unser Körper Zeit, sich wieder auf Seegang und Schaukelbewegungen einzustellen.
Diese 20 Knoten entsprechen nicht der Wettervorhersage!
Die küstennahen Bereiche stellen für die Wettermodell-Frösche offenbar eine besondere Herausforderung dar. So bereits festgestellt bei den Fahrten entlang der westafrikanischen Küste, vor Senegal und Gambia.
Der Plotter zeigt ein Gewusel von Schiffen rund um uns – an und für sich haben wir uns doch auf „Einsamkeit“ gefreut…. ?
Kein Problem – die Menge an „Gesellschaft“ ist nur eine Frage des Zooms ….. 😉




Lamin Lodge entschwindet am 5. April 23 planmäßig um 8 h 30, bei hoher Tide, im Kielwasser bzw. um die Flußbiegung unseren Blicken.
An unserem 31. On-Tour-Monatstag.
Wie schön – 31 Monate nach dem Ablegen in unserem ehemaligen Heimathafen, in Cervignano, machen wir uns auf, zum 2. Mal einen Kontinent zu wechseln:

Unser Ziel:
die dem brasilianischen Festland vorgelagerte Insel „Fernando de Noronha“
Wir fühlen uns allerdings herrlich frei bezüglich „Bestimmungsort“.
Wir haben kein Date in dieser Gegend Brasiliens – wir haben kein Date in ganz Brasilien!
Vielleicht wird sich der erste „Land-in-Sicht“-Freudenruf auch auf eine karibische Insel beziehen…. – „frei sein, gehen zu dürfen, wohin man will“ – bzw. wohin der Wind uns treibt – wie genial! Was für ein wunderbares Lebensgefühl!
Der Streß in des Käpt’n genialem Hirn, aufgebaut in den letzten, extrem arbeitsintensiven Monaten, läuft noch weiter aufgrund der vielen Update-Themen. (siehe nachfolgender Technik-Beitrag)
Bis zum späten Nachmittag steht er unter Dauerstress.
Ein emotionaler Lichtblick ereilt ihn gerade noch rechtzeitig, gerade noch bei Internet-Empfang, mit der Kunde, dass ein großer Auftrag eintrudelt – dieser konnte tatsächlich positiv zum Abschluss gebracht werden!
Diese „Auszeit auf dem Wasser“ – ohne Internet, ohne Computer, ohne Telefon, ohne daily business, und auch ohne Kontakte mit anderen Menschen und ohne Ausflüge an Land wurde schon lange herbeigesehnt und freudig erwartet. Jetzt steht neben „Boot+Segeln+Wetter+Route“ nur eines auf der Agenda der nächsten 2-3 Wochen:
Für den Käpt´n gilt: „Nach Backup -Erstellung einmal reseten bitte!“
Hoffentlich reichen die „paar Tage“ der Überfahrt für diesen internen Neustart.
Die Passagier-Boote lassen wir sehr schnell hinter uns, viele Pirogen schwärmen noch mit uns aus.
Die mehr oder weniger großen Crews der bunt bemalten Fischerboote aus Holz, die ca. 2/3 so lang und 1/3 so breit, ca. 1/20 so hoch und 1/5 so tief wie wir sind, nehmen, teilweise mit Ölzeug, teilweise im normalen Alltagsgewand, meilenweite Anfahrtsstrecken auf sich, trotzen Wind und Welle, bewaffnet mit einem Kübel, um immer wieder Wasser aus dem Boot zu schöpfen, um IHREM „daily business“ nachzugehen.


So lange uns Pirogen begleiten, so lange gibt es Fischernetze, so lange gilt es, allzeit zum Hakenschlagen bereit zu sein, um ihnen auszuweichen.
Wir haben Glück: Kurz vor dem Einbruch der Dämmerung lassen wir die letzte Piroge hinter uns, kurz darauf kreuzen uns die letzten 2 Fisch-Crawler – mit der beginnenden ersten Nacht tauchen wir im weichen Mondschein in die Weiten des Atlantiks ein!
Mitte der Karwoche – 1. Atlantik-Crossing-Tag:
Erstmalig auch für uns, dass wir in einem Land waren, in denen von österlichen Vorbereitungen weder Etwas zu sehen noch zu spüren war. Gambia ist größtenteils muslimisch (ein sehr freundlicher, sympathischer, offener, rücksichtsvoller Islam)
– und steckt gerade mitten im Ramadan!
Wind + Welle haben uns gestern, in der Mitte der Karwoche, recht intensiv auf dem Atlantik begrüßt – überraschenderweise ohne Folgeschäden für unsere Seegang-entwöhnten Körper. Weder Übelkeit noch Unwohl-Gefühl haben sich eingestellt – unsere Segelbeine sind uns schneller gewachsen als der Wind die Wellen unruhig machen konnte.
Für die folgenden Tage steht seglerisch Schönst-Wetter auf dem Programm!
Poseidon, Rasmus und Co meinen es sehr gut mit uns!
Gründonnerstag – 2. Atlantik-Crossing-Tag:
Am Vormittag taucht ein Frachter am Horizont auf – vielleicht der letzte Hinweis auf „Mensch“ für viele Tage?
Eine große Schildkröte taucht auf … (ja aus welchen unglaublichen Tiefen bloß?)
…. zum Luftschnappen!
Hier, 20 Meilen von der afrikanischen Küste entfernt, ist doch bereits 1 km Wasser unter uns!
Rasmus hat Erbarmen mit den Wetterfröschen – der Wind kommt seit heute früh – wie vorhergesagt – mit gemütlichen 15 bis 20 Knoten aus NO, von Raumschot (schräg von hinten).
Ideale Bedingungen, um das Groß an diesem sonnigen Vormittag weit nach backbord zu fieren und mit Bullenstander zu sichern und die Genua mit außen geführten Schoten ebenfalls backbord den Wind einfangen zu lassen.
Unser Leichtwindsegel kann bereits am frühen Nachmittag Atlantikluft schnuppern:
Die 105 m2 Segelfläche von Esmeralda ist quasi maßgeschneidert für die vorherrschenden Bedingungen:
10 (scheinbarer Wind) bis 15 (wahrer Wind) Knoten von achtern bringen
Esmeralda´s Vorzüge voll zur Geltung:
wie eine bewegliche Gallionsfigur wölbt sie sich majestätisch als auch anmutig vor Vitamine, scheint mit dem Wind zu spielen, zieht Vitamine gerade so viel aus den Fluten empor, dass wir deutlich ruhiger durch bzw. über die 2-3 Meter hohen Wellen gleiten, dass wir deutlich stabiler sind – ja, fast so, als ob wir schweben! Genial!
Esmeralda fliegt und fliegt und fliegt unermüdlich für viele, viele Stunden!
Was für ein schöner Anblick, was für ein angenehmes Segel-Gefühl!
Beeindruckend ist auch, wie regelmäßig, beständig und gleichbleibend sowohl in Richtung als auch in Stärke sich „Wind“ gestalten kann!
Karfreitag – 3. Atlantik-Crossing-Tag:
Iridium wird aufgebaut und die Außenantenne montiert.
Den frischen auf Vorrat gekauften Ingwer schneiden, um ihn zu trocknen.
Die österlichen Vorbereitungen laufen: Ostereier werden bemalt, süße Ostereier werden produziert und Sprossen angesetzt, Osterbrot wird gebacken….
– und das alles unter den Schwingen von Esmeralda, unserem Leichtwindsegel!
Der Käpt´n begibt sich auf die Badeplattform – gesichert mit Sicherheitsgurt – der Gang „Rückwärts“, um ein Mann-über-Bord-Manöver einzuleiten, ist in Esmeralda absolut nicht programmiert..
Er widmet sich den Fischen, die wir noch vor der Lamin Lodge – bereits in den Abfahrvorbereitungen – von Abdullaih geschenkt bekommen haben.
Karsamstag – 4.Atlantik-Crossing-Tag:
Esmeralda wölbt sich vor uns und zieht uns prächtig Richtung Ziel.
Eine Schrecksekunde bereitet uns der „Wassereinbruch“ unter den Bodenbrettern.
Gott sei Dank – es ist schnell geklärt, dass die Ursache „nur“ ein offener Hahn in der Spüle war.

Bewölkung nimmt zu, der Sonnen-auf- und untergang: war bis jetzt immer von einer Dunstschicht von mehreren Zentimetern. begleitet.
Die abendliche Batteriekapazität von 90 % – nur mit Sonne und Windkraft – sind genial!
Ostersonntag – 5. Atlantik-Crossing-Tag
4 Uhr des Morgens: Instrumentenausfall!
Der Plotter hat keine Wind- und Kompassdaten mehr – er ist quasi nackt!
Somit hat auch der Autopilot keine Daten mehr. Handsteuern steht an!
Zum Glück versieht unser braver Fritzi bald wieder seinen Dienst:
Neustart von allen Komponenten hat das Problem gelöst!
Mögen sich alle noch auftretenden Herausforderungen so einfach lösen lassen!
Osterhase – einmal anders!
Für uns das erste Mal „auf hoher See“ – und das erste Mal mit einem Mango-Osterhasen!

Blauwasser-Feeling! Wasser pur!
500 Seemeilen nach Afrika,
350 Seemeilen zu den Kapverden,
unter uns: 4-5000 Meter,
Amerika: noch weit, weit weg!
Genial!
Ostersonntag – 21 h 22:
„PENG“
Ein lauter Knall peitscht durch VITAMINE.
Des Käptn´s Adlerblick erkennt sofort: Esmeralda hängt zu tief!
Esmeralda hängt am Spi-Fall!
Was ist geschehen? Was hat „PENG“ gemacht?
Diese Überlegung wird später angestellt – jetzt gilt es: hurtig Esmeralda bergen!
Es gestaltet sich schwierig …. aha! Der Luftring ist leer ….
und gelingt schlussendlich!
Schnell Genua + Gros zur Hälfte setzen und Bullenstander montieren.
VITAMINE reagiert sofort auf diese „geänderten Bedingungen“ und macht auf „Wackeldackel“. Sie schwankt in den Atlantikwellen von backbord nach steuerbord und retour…. das sind wir nicht mehr gewohnt! Nach Taaaaagen + Näääächten unter den Fittichen von Esmeralda!
Der „Wackeldackel“ bringt auch Einbußen bei der Geschwindigkeit mit sich:
Bei 11 Knoten true wind machen wir „nur mehr“ (verglichen mit Esmeralda) 5 Knoten Fahrt.
Und warum war es nun, dieses „PENG“?
Der Schäkel, an dem Esmeralda befestigt war und in die Höhe gezogen worden ist, hat beim Rigg-Check scheinbar zu wenig Beachtung gefunden.
Ärgerlich. Sehr ärgerlich.
Fotos werden noch analysiert.

Esmeralda´s seglerische Eckdaten der letzten Tage:
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von 11.433 nm bis 11914 nm (VITAMINE´s Meilen)
–> 481 Meilen Esmeralda non-stop!
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vom 6. April um 14 h 17 bis 9. April um 21 h 22
–> 3 Tage 7 h und 5 Minuten
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11 Knoten TrueWind –> 7 Knoten Fahrt!
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Durchschnitts (!) -Geschwindigkeit von VITAMINE: über 6 Knoten (!)
–> Etmal- Rekordverdächtig!


