Ein ranker Jüngling begleitet uns durch Djirnda, lässig in Jogginghose, Sweater und dicke Kopfhörer um den Hals.
Boubacar entstieg gerade dem Sammelwassertaxi, der Piroge, als wir erstmalig am Steg von Djirnda anlanden. „Nice Canou“ meint er, und zeigt auf unser blaues, luftgefülltes Wassergeschoß.
Oh wie nice! Ein uns freundlich gesinnter Ureinwohner, der uns – eindeutig als Nicht-Afrikaner identifizierbar – gleichmal auf Englisch anredet, und nicht auf Französisch (der Amtssprache) oder Wolof (einer der anerkannten Stammessprachen von Senegal)
Auf die Frage, ob es hier möglich ist, Geld zu wechseln und vielleicht auch eine Datacard zu bekommen, überlegt er und meint: „I think not.“
Aber er wohnt nicht hier. Er arbeitet im Hotel des Nachbarortes, seinem Heimatdorf, als Koch. Er fragt seine Schwester, die er hier besucht. Diese hat eine Idee und geht mit uns in ein kleines, dunkles Geschäft, in dem es Lebensmittel, Gas und sonst noch allerlei gibt.
Wie sich nach längerem diskutieren mit der jungen Dame hinter dem vergitterten Tresen herausstellt, ist es hier nicht möglich, eine Datacard zu bekommen, aber sie kann ein paar Euro wechseln. Fein!
Und sie hat einen Tipp bezüglich Datacard. Nichts wie hin! Und tatsächlich!
Der Mann hinter dem Tresen kann Guthaben verkaufen, und Bouba hilft, es auch richtig in unseren Telefonen ankommen zu lassen. Perfekt! Die internet-Versorgung für die nächsten Tage ist gesichert!
Am nächsten Tag hilft Bouba, frisches Gemüse, frischen Ingwer, Brot und ein paar Fische für Findus aufzutreiben. Zum Teil von den kleinen Geschäften, zum Teil von Schwester, Oma, Onkeln, Tanten, Cousinen und Co. Der Geschäfte gibt es einige, die dunklen Löcher sind für unsereinen gar nicht so leicht, zu identifizieren.
Allesamt sehr bemüht, unkompliziert und offen, und nicht aufdringlich. Wir werden einfach so „angenommen“. Wir fühlen uns willkommen.
Nach wie vor dringt der Muezzin laut in´s Ohr. Auf die frage, ob sich das Gebet heute nicht sehr lange, unüblich lange, hinzieht, meint er:
Nein, nein – das ist eine andere Veranstaltung. Ob wir hin wollen?
Äh .. ja … gerne!
Auf dem Weg dorthin wird es lauter und lauter. Vor einer kahlen, gut 2 Meter hohen Mauer, deren Form an einen 4-Kant-Hof erinnert, stehen in lockeren kleinen Grüppchen Menschen und viele Kinder laufen herum. Bouba entschwindet, um seinen Kopf auf Höhe eines kleinen, 4-eckigen Loches zu senken und versinkt in ein Gespräch, mit der Stimme, die aus diesem Loch heraustönt.
Bouba kommt zurück und bedeutet uns, mitzukommen.
Gerade, als wir uns dem Eingang nähern, stürmt eine Horde von Menschen, gestikulierend und mit Gejohle und glücklichen Gesichtern aus dem Inneren. Dem ersten Schwung folgen noch viiiiiiele.
Bouba bedeutet, ihm zu folgen, durch den engen Durchschlupf ins Innere, entgegen dem Strom.
Ich schaffe es bis zum Eingang und bleibe mal dort in einer Nische stehen. Massen, von Baby bis Greis, strömen an mir vorbei hinaus. Alle gut gelaunt, viele mit Plastiksessel, den sie über dem kopf transportieren, viele im ersten Moment erstaunt, mich hier zu sehen, im zweiten bereits fühle ich mich „registriert und für okay befunden und abgehakt“.
Schließlich schlüpfe ich ganz hinein und bin in einem großen Bereich, in dem sich immer noch viele gut gelaunte Menschen tummeln und in dessen Mitte sich ein freier Sandplatz befindet.
Hier fand gerade ein Wrestling-Turnier statt. Ah! Ein sportliches Ereignis! Und offensichtlich ein Groß-Ereignis! Das haben wir verpasst. Aber auch diese Reste sind sehr interessant für uns, mitzuerleben.
Die Straßen von Djirnda sind sandig-staubig-vermüllt. Freilaufende Ziegen, Hunde und Katzen,, die genauso wie die 2-Beiner, ruhig ihrer Wege ziehen, mal links, mal rechts abbiegen, als auch ein Esel. Vorsicht, meint Bouba – mit ihm ist nicht so leicht Kirschen essen und tatsächlich richtet er schon sein Hinterteil, bereit zum auspfeffern.
Im Arbeitseinsatz sind viele Esel- und Pferdefuhrwerke. Rinder suchen auf den Flächen, die direkt an den Fluß angrenzen und von Müll bedeckt sind, nach Futter.
Die Eselfuhrwerke sind Sachen der kleineren Kinder, die größeren sind „aufgestiegen“: vor deren Karren laufen Pferde!
Und Pferde sind anatomisch klar im Vorteil: Da kann es dann schnon mal vorkommen, das schnell die Seite gewechselt wird, schließlich will klein auf keinen Fall von groß mit Sand beworfen werden. Und nein – so sehr er auch dazu angehalten wird, sich zu bemühen, das Eselchen – er kann mit Pferd nicht mithalten.
Kinder waschen auch eine Ziege oder spielen zwischen bzw. auf Müll im Dorf.
Spielzeug? Sehen wir extrem selten. Wozu auch? Es liegt ja eh überall irgendetwas herum.
Mindestens 10 Personen scheint das Minimum der Bewohner jedes Hauses zu sein, zuzüglich vieler Kinder, von 0 Jahren aufwärts.
Viele Stände, überdacht oder auch nicht, an dem Frauen ihr Gemüse anbieten – das, was sie gerade haben. In kleinen Portionen, abgepackt in kleinen Plastiksäckchen, oder in kleinen Türmchen als Portion gerichtet.
Djirnda – wie es leibt und lebt.
Alles Ruhig, alles entspannt, niemand ist aufdringlich. Wir werden nicht einmal bestaunt- naja – ein bißchen – von den vielen Kindern jeglichen Alters, die zuhauf herumquirlen – aber generell es ist eher, als ob wir dazugehören. Einfach so.
Wow. Was für ein zwischenmenschliches Lebensgefühl!
Hier ist das ganz deutlich zu spüren, was für 90 % der Weltbevölkerung verlorengegangen ist, wonach sich jeder sehnt, wonach viele suchen – im Innen oder im Außen oder beides: FRIEDE!