Kapverden 2017 Woche 1

Kapverden – Cabo Verde
Das Seglerparadies mit dem Robinson Crusoe Feeling

„Die Seebärlis“ – unterwegs mit C´Alma


Samstag, 16.September 2017

Endlich ist es soweit! Der lang geplante, der lang ersehnte Urlaub auf einem Segelboot in den Kapverden hat begonnen!

Cabo Verde – eine Inselgruppe, bestehend aus 9 bewohnten Hauptinseln und 6 unbewohnten Inseln, liegt vor der Westküste des afrikanischen Kontinents, etwa 570 km westlich von Senegal und etwa 1300 km südlich der Kanaren.

Diese Inselgruppe im Atlantik gilt (noch) als Segel-Eldorado mit dem Flair von Ursprünglichkeit und Einfachheit.  Und sie wird als anspruchsvolles Segelgebiet beschrieben, dafür ausschlaggebend ist sowohl der Atlantik als auch die Tatsache, dass es eine einzige Marina im gesamten Gebiet gibt.

Auf Cabo Verde ist Streß unbekannt, die Inseln punkten mit „ewigen Sommer“ und – was für uns auch einen speziellen Reiz ausmacht – sie werden vom Atlantik umspült – unser 1. Atlantikkontakt!

Nach 26 Stunden Anreise stehen wir nun auf dem Flughafen von Mindelo auf der Insel Sao Vicente – der 2. Größten Stadt auf Cabo Verde mit ca. 80.000 Einwohnern.

Eintauchen in ein anderes Lebensgefühl, in ein anderes Empfinden von Zeit und Raum.

Schon bei der Anreise war ein 1. Hinweis, ein 1. Wink mit dem Zaunpfahl, dass unsere Vorstellung von „Zeit“ und deren Gefüge nur relativ und nicht absolut zu sehen sind. Für das 1. Gefühl:  ein Schlag tief in die Magengrube – für das 2. Gefühl: wie befreiend:

Der nationale Weiterflug von Praia (Hauptstadt und größte Stadt auf Kapverden, ca. 120.000 Einwohner) auf der Insel Santiago nach Mindelo auf der Insel Sao Vicente mit Cabo Verde Airlines wurde gecancelt, und aufgrund der Art unserer Tickets war es der Fluglinie Binter nicht möglich, unseren Flug zeitnah (um lediglich 15 Minuten versetzt) umzubuchen, sondern erst auf den nächsten Flug, fast 4 Stunden später. Die sich immer wieder im Sitzen auch ein Mützchen Schlaf holenden Angestellten waren freundlich, aufmerksam, zuvorkommend und hilfsbereit.

Die Stunden von Mitternacht bis 7 Uhr früh hatten wir also auf dem Flughafen verbracht, und nun diese Info, die uns in aller Ruhe, Gelassenheit und immerwährender Freundlichkeit erklärt wurde.

Mitreisende mit dem gleichen Schicksal hatten offenbar die gleichen Adaptionsprobleme an diese afrikanische Zeitmentalität und reagierten typisch europäisch: Unfreundlich, genervt, grantig.

Wie einfach, „im Aussen“ beobachten zu können – so fiel uns unsere Adjustierung „im Inneren“ gleich leichter…

Die halbe Nacht im Flughafen von Praia hat sich verlängert um einen halben Vormittag – Dont´worry – unthertheless, be happy!

Die Europäer haben Uhren – die Afrikaner haben Zeit!

Zurück auf den Flughafen von Mindelo: Der Taxifahrer, der uns abholen sollte, war vielleicht zur Zeit des gecancelten Fluges vor Ort – jetzt nicht. Mittlerweile schon der kapverdischen Mentalität näher nehmen wir eines der wartenden Taxis vor den Toren des Flughafens und finden uns flugs in einem Mercedes Benz W 123 oder doch ein W124 – ca. 70er Baujahr. Auch ein Nicht-Auto-Kenner sieht zweifelsfrei, das er in einem Veteranen sitzt, ein Blick auf den km-Stand erstaunt dann doch auch Auto-Kenner: gut 959.000 km!

Der Oldie und sein netter Fahrer (eindeutig älteren Baujahres als sein Auto) bringen uns zuverlässig in den Hafen von Mindelo, in dem unsere „C´Alma“, eine Beneteau Oceanis 393 (knappe 12 m lang und 4 m breit) uns schon erwartet.

Der restliche Tag vergeht mit Bootsübernahme und Bunkern von allem, was frau+mann so braucht an Lebensmitteln, Wasser und sonstigen Utensilien für Küche, Bad und Boot – 2 Wochen an Bord – 2 Wochen Selbstversorger – 2 Wochen Bootsidylle!

Nach dem Einkauf von A wie Ananas bis Z wie Zitrus-Geschirrspülmittel (welches wir übrigens ungeöffnet an Bord ließen – Küchentipp: wasche mit sauberem Meerwasser ab und Du brauchst kein Spülmittel) nutzen wir den abendlichen Besuch im schwimmenden Hafenrestaurant als weitere Einstimmung auf „Urlaub“ in der Wärme und der Andersartigkeit der Kapverden und genießen die uns servierten Speisen und Getränke – in dem Wissen – eh schon Wissen: 2 Wochen Selbstversorger! – das Abendessen garniert mit kapverdischer Live-Musik….

Sonntag, 17. September 2017

Um 7 Uhr heißt es: Landleinen los! Mindelo auf SAO VICENTE adieu! Der Atlantik ist unser!

Ein erhabenes Gefühl für uns „Landratten“ – die wir wohl irgendwann früher einmal „Meer-Ratten“ gewesen sein müssen – wie sonst ließe sich diese große Freude und das Glücksgefühl erklären, „auf Wasser“ zu sein, die Schaukelbewegungen von C`Alma unter unseren Füßen zu spüren und in den nächsten 2 Wochen ein Gefühl für die Weite des Atlantiks bekommen zu dürfen, diese Weite erleben zu dürfen.

Noch im Windschatten von Sao Vicente setzen wir die Segel, um das Segelgut zu überprüfen – wie aufgetragen – im Hafen ist es verboten, so wurde uns erklärt. Es ist auch ein Vertraut-Machen, ein „Bekannt-Werden“ von Boot + Crew. Alles in Ordnung! Wie schön! Wir müssen nicht zurück in den Hafen – wir können weiter Fahrt aufnehmen

Unser erstes Etappenziel: Insel BRAVA – 123 nautische Meilen SSW. Dazwischen: Meer – Atlantik – Wellen – Sonne – Wind – und sonst nix.

Nach den 1. Stunden auf See beginnen wir es zu erahnen: unser ultimatives Urlaubsfeeling!

Das rhythmische Anschlagen der Wellen am Boot, das leise Murmeln des Meeres rundum, das leichte Schlagen der gesetzten Segel – noch sind wir im Windschatten von Sao Vicente -, die knarrenden, singenden, klopfenden, immer wiederkehrenden, unregelmäßigen und doch so melodiösen Geräusche unserer C`Alma – mit jeder Meile lernt man sich besser kennen und schätzen… – 2 Wochen lang sind diese paar m2 unser Zuhause und die unvorstellbaren Weiten des Atlantiks quasi vor der Haustür – unsere Badewanne, unser Erfrischungspool, unser Koch- und Abwaschwasser-Lieferant. Luxus pur!

Ein anderer Luxus als den, den wir typischen Mitteleuropäer gewohnt sind.

Ein Luxus, der darin besteht, einerseits räumlich und bewegungsmässig, lebensmitteltechnisch und – vielleicht besonders ungewohnt und gewöhnungsbedürftig für uns – beim Trinkwasserverbrauch eingeschränkt zu sein, andererseits in diesem begrenzten Bereich Kontakt aufzunehmen mit etwas viel Größerem, mit etwas, was unfassbar ist für unseren Körper als auch unseren Geist und sich doch im Ansatz offenbart….

Die schwüle Hitze – immerhin doppelt so viel Grad (26–35 °) bei höherer Luftfeuchtigkeit (bis zu 80 %) wie bei uns – macht sich in unseren Köpfen und Körpern bemerkbar. So meldet sich der Gedanke, am 1. Tag doch nur San Antao, die Nachbarsinsel von Sao Vicente zu umrunden und bei San Antao für die Nacht zu buchteln – der doch vorhandene Respekt vor dem Atlantik wird wohl seinen Teil dazu beitragen.

Doch C´Alma lässt uns keine Zeit, in solchen Gedanken zu versinken und sorgt für anderweitige physische und psychische Beschäftigung: Die Segel sind gesetzt, die Geräusche erscheinen uns bereits gewohnt und sind willkommene Begleitmusik. Jedoch – ein neues Geräusch alarmiert den Käpt´n, und – tatsächlich: Ein Schäkel der Großschot muß zu locker gewesen sein, hat sich durch die Belastung unter Segel weiter gelockert und schließlich die Umlenkrolle freigegeben, die den neuen Spielraum nutzte, um Kontakt mit ihrer Kollegin ein paar Meter weiter aufzunehmen.

Kaum ist die 1. Reparatur abgeschlossen – nächster Alarm: Einer unserer Fender treibt frisch-fröhlich einige Meter hinter uns – des Käpt´ns Auge ist überall! Ein ungeplanter, im Nachhinein aber durchaus willkommener Anlass, ein „Mann-über-Bord-Manöver“ zu absolvieren und anschließend glücklich mit vollzähligen 6 Fendern wieder Fahrt aufzunehmen.

Die nicht lange auf sich warten lassende aufkommende frische Brise vertreibt die drückende Hitze mitsamt ihrer Schwere auch aus unseren Körpern – wir nehmen am späten Vormittag endgültig Kurs auf Brava! Die längste Überfahrt im kapverdischen Inselgebiet – Blauwasser pur – unser Seglerherz schlägt höher!

Um 15 h 20 liegen noch 110 Meilen von den 123 Meilen unserer 1. Etappe vor uns – wir freuen uns auf unsere 1. Nacht unter Segel auf dem Atlantik!

Nach einer kurzen Flaute kommt Wind wieder auf und C´Alma kann zeigen, was in ihr steckt. In unserer Freude übersehen bzw. ignorieren wir die Anzeichen für noch stärker aufkommenden Wind – die Kräuselung der Wellen und deren Schaumkronen nimmt zu.

Nach dem Dichtholen der voll ausgefahrenen Segel bei Windspitzen bis zu 35 Knoten beschließen wir, das nächste Mal früher zu reagieren und als 2. Lerneffekt werden außerdem die Schwimmwesten samt Sicherungsleinen postwendend aus ihrer Originalverpackung befreit, zusammengebaut, anprobiert und griffbereit hingelegt!

Montag, 18. September 2017

Das uns nächstgelegenste Land ist die Vulkanlandschaft – die ganze Inselgruppe der Kapverden ist vulkanischen Ursprungs – aber nicht in eine Himmelsrichtung – nein – dem Erdmittelpunkt zu – das uns bei weitem nächstgelegenste Land ist tatsächlich UNTER uns. Es wird wohl so sein, dass sich von solchen geist-erweiternden Erlebnissen der Begriff „Land unter“ ableiten lässt…. *lach*

Zwischen uns und diesen unterirdischen Vulkangebirgen liegen großteils 4-5000 Meter. Nur vereinzelt ragt ein unterirdischer Vulkan auf 900 oder 600 m herauf. Ansonsten – Weite… Weite… Weite… gestern hat das AIS noch hin und wieder ein Boot gemeldet, noch seltener ist es tatsächlich in unserem Blickfeld aufgetaucht, immer wieder waren Vögel beim Fischfang in galantem Flug knapp über der Wasseroberfläche zu beobachten –  heute sind fliegende Fische die einzigen sichtbaren Zeichen, das dieser Planet belebt ist…

In alle Richtungen unendliche Weite! Dimensionen, die für unseren Verstand als auch unser Auge schwer zu fassen sind!

Der Nachthimmel präsentiert sich mit Tausenden von Sternen – dank des Neumondes – und wir gleiten elegant unserem Etappenziel, der Insel Brava, näher und näher.

Mein beschaulicher „Blick in die Weite“ fokussiert sich plötzlich: leicht backbord voraus ist ein Top-Licht auszumachen, darunter ein davon beleuchtetes annähernd waagrecht hängendes Segel-Teil.

Ein Schiff??? Ein Schiff!!! Und kein Kleines, wie die Höhe des Mastes vermuten lässt.

Wirklich ein Schiff?

Sicherheitshalber noch ein Blick rundum: Nein – kein Gestirn reicht auf diese Höhe herunter!

Ein Schiff !!!

Da wir nicht auf Kollisionskurs sind, besteht kein Handlungsbedarf und ich habe Zeit, das Schiff weiter zu beobachten.

Und siehe da …. Aus dem Schiff wird ….. Himmelsgestirn: die Mondsichel als Silhoette und ein genau über ihr hell leuchtender Stern … Die Dinge sind oft nicht so, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen….

Aber manchmal eben doch und Dank des Käptn´s aufmerksamen Auge wird noch am Vormittag ein Reißverschluss an C´Alma´s Bimini mit Kabelbinder versehen und lockere Gewinde mit Klebeband – vorsichtshalber gleich auf beiden Seiten.

Dieser „Tag auf hoher See“ verläuft beschaulich bis actionreich, besinnlich bis arbeitsintensiv. Der Atlantik sorgt für Abwechslung – von Flaute bis Starkwind (bis 35 Knoten) ist auch heute alles dabei.

Bei der Ankunft um Mitternacht in der Bucht „Porto da Faja“ im NW von BRAVA ist uns nach erfolgreichem Anker-Manöver nach Feiern: Der erste Schluck der Pina Colada  ist – natürlich –  für Poseidon, den Gott des Meeres, und all die anderen Wesenheiten zu Wasser und in der Luft, die uns so freundlich empfangen haben!

Vom NW kommend liegen wir jetzt vor der südwestlichsten Insel des Archipels.

Die längste „Blauwasserfahrt“ ist erfolgreich abgeschlossen – der größt-mögliche Abstand zwischen 2 Inseln – 260 Kilometer – ist überwunden!

Dienstag, 19. September

Brava ist die kleinste der bewohnten kapverdischen Inseln, annähernd rund mit einem Durchmesser von knapp 10 km – und ein wahres Kleinod! Dank der fast 1000 m hohen Berge und des Windschattens der Nachbarinsel Fogo haben die Berggipfel fast immer ein Dunsthäubchen – so verdunstet der morgendliche Tau nicht und der daraus resultierenden üppigen Vegetation verdankt Brava die Bezeichnung „Blumeninsel“.

In der Morgendämmerung offenbaren sich die bunten Häuschen des kleinen Dorfes mit der blau-weißen Kirche in der Nähe des Fischerhafens – einem kleinen Stück felsenfreien Strandes mit Schutzmauer als landseitige Befestigung – als auch die interessanten Felsformationen der nahezu u-förmigen Bucht.

2 Hähne wetteifern – vermischt mit Hundegebell – beim Ausbringen der Lobeshymne auf den neuen Tag, Käptn´s scharfes Auge erspäht die dazugehörigen Hennen.

So interessiert, wie wir das beginnende morgendliche Treiben an Land und das Ausfahren der kleinen Fischerboote beobachten, so interessiert werden wohl auch wir beobachtet. Eine Segelyacht vor Anker ist aufgrund des Seltenheitswertes einen Blick wert!

Der Besuch des großen Swimming-Pools rund um uns mit angenehmen und doch erfrischenden 26 ° ist die Krönung unserer vormittäglichen Siesta – gegen 11 h 30 Mittag lichten wir den Anker

und machen uns auf gen Süden – zur Umrundung Bravas, nächstes Ziel: östliche Nachbarinsel Fogo!

Von Flaute über guten Segelwind bis hin zu Starkwind und –böen ist wieder alles dabei.

Brava hinter uns verschwindet hinter Dunstwolken, Fogo vor uns detto – zumindest größtenteils –  interessant, dass unser nächster Wegpunkt, Sao Filipe auf Fogo, immer sonnenbestrahlt bleibt!

Sao Filipe ist eine der großen Städte auf den Kapverden – und hat eine selten schöne Aussicht:

Die gesamte Stadt ist auf Höhe von etwa 100 m direkt an den Klippen gebaut. Der Anblick des weit sich erstreckenden Ortes in alle Richtungen in´s Hinterland mutet idyllisch an.

Auf FOGO kommt die Entstehungsgeschichte des Archipels am deutlichsten zum Ausdruck: Die Insel hat nicht einen Vulkan – die Insel IST ein Vulkan! Der letzte Ausbruch des einzig noch aktiven Vulkans der Kapverden ist noch nicht lange her: Im November 2014 haben die Lavamassen wieder vieles mühsam Aufgebaute zerstört.

Kaum abgedreht nach Norden, zur Umrundung Fogos, kreuzt eine Delpinschule unseren Weg – ca. 20 Tiere!

Ca. 5 Delphine gesellen sich zu uns und begleiten uns eine ordentliche Zeitspanne – in solch wunderbaren Momenten ist Zeit relativ…

Unsere 5 Wegbegleiter schießen in beeindruckender Leichtigkeit, Freude, Mühelosigkeit, Schnelligkeit und Eleganz vor, unter und neben C`Alma´s Bug durch das Wasser!

Diese allzeit freundlichen Wesen mit weißer Schnauze, weißem Bauch und zart weiß gepunktetem Rücken – atlantische Delphine – bereiten uns große Freude!

Schließlich entschwinden sie wieder unseren Blicken und gehen dorthin zurück, woraus sie gekommen waren – in die Weiten des Atlantiks…  guten abendlichen Fang zu wünschen – und DANKE!

Mit diesem tierisch schönen Erlebnis im Gepäck lassen wir die 3 kleinen, unbenamten Inselchen vor der NO-Küste von Brava als auch die bereits nächtliche Beleuchtung von Fogo hinter uns und nehmen Kurs auf Tarrafal auf der Insel Santiago – der große Wagen richtungsweisend über uns.

Mittwoch, 20. September

In der Morgendämmerung zeigt sich der Atlantik wieder in seiner ganzen Pracht.

Wiederum ein „Ah-„ und „Oh-„Erlebnis, in Dankbarkeit dafür, dass ich diese Schönheit in ihrer Ursprünglichkeit erleben darf, dass sich Poseidon uns wohlgesonnen erweist und dies einzig und allein mit dem Menschen, den ich liebe, den ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde!

Namaste….

Einzig die 2 „Kratergipfel“ von Fogo, jeweils mit einer kleinen Haube oder auch einem Heiligenschein versehen – die Gedanken sind frei – und einem Lendenschurz um die Taille ist Zeuge und Erinnerung dafür, dass es auf diesem Planeten mehr gibt als Wasser, Wellen und Meer!

Die Gipfel von Fogo begleiten uns noch lange – in der gemächlichen Gelassenheit des aufkommenden Windes spiegelt sich unser Gemütszustand: Ja! Wir sind angekommen! JETZT haben wir unser ultimatives Urlaubsfeeling erreicht – davor waren es doch nur Vorboten – oder sind es auch jetzt nur die Vorboten und das Stimmungsbarometer noch nicht auf seinem Höchstpunkt?

Wie auch immer – wir sind auf dem richtigen Weg!

Happiness is not a destination – happiness is a way!

Die letzte Seemeile vor Tarrafal auf Santiago bergen wir die Segel und werfen den Motor an.

Unser Aufkreuzmuster ist ein ästhetisch schönes – es gleicht einem engen Zick-Zack-Stich auf der Nähmaschine. Da unser Törnführer aber empfiehlt, Tarrafal bei Tag anzulaufen und dieser Tag sich bereits anschickt, der Nacht zu weichen, sind wir dankbar für die Möglichkeit des lauten, aber zielorientierten Gebrummes.

Und so laufen wir in die „Baio da Tarrafal“ auf SANTIAGO um etwa 18 h 40 ein – nach 275 zurückgelegten nautischen Meilen nach dem Auslaufen aus Mindelo.

An unserem neuen Ankerplatz finden wir überraschend viele „Artgenossen“ (alle unbewohnt) – 12 Stück an der Zahl – manche um die 50 Fuß, die meisten Veteranen der Seefahrt, die wohl viel zu erzählen hätten – Geschichten, die das See-Leben schrieb… das dazu passende Lied könnte sein: Das alte Boot von Rocky Docky hat vieles schon erlebt – kein Wunder, dass es zittert – kein Wunder, das es bebt…. (in leichter Abwandlung des Jungscharliedes)

Und doch – die Ausstattung auf manchen der Veteranen lässt nach wie vor Hochseetauglichkeit vermuten! Dieselkanister, Photovoltaik, Radar, Angelequipment….. – keep the virus alive!

Donnerstag, 21. September

Die Sonne neigt sich nach einem Tag mit vielen wunderbaren Kleinigkeiten – oder sind es doch Großigkeiten?

Was ist wichtig? Was ist unwichtig? Was hat bleibenden Wert? Wie ist „Wert“ zu definieren?

Fakt ist, dass eine Crew aus Denkern und Philosophen um mindestens ein Crew-Mitglied zu wenig hat: um einen Handwerker mit ordentlicher Portion Haus- äh…. Bootsverstand – so hat sich´s auch heute wieder gezeigt:

Eine nicht funktionierende Winschkurbel, ein zusammengefaltet bleibender Anker, ein nach wie vor klemmendes Rollgroß, ein schwarzer Kartenplotter …. – hakuna matata! – dank des Käpt´ns unzähliger Talente!

Aber nun zu meiner ganz persönlichen „Großigkeit“, meinem ganz persönlichen, großen Erfolgs- und „aha“-Erlebnis:

Das „Fühlen“ des Bootes, das „Spüren“ des Kurses, das Steuern ohne Sicht – ich wusste, das geht – ja – aber ich selbst bin noch seemeilenweit davon entfernt.

Erstens kommt es anders – zweitens als man denkt!

Manchmal ist es gar nicht so schlecht, „überrumpelt“ zu werden.

Ich fand mich von einer Sekunde auf die nächste ohne Sicht am Steuer wieder! – das Halstuch vom Käpt´n machte es möglich!

Und ich steuerte sicher und gekonnt, kursgenau, als ob ich nie etwas Anderes gemacht hätte, durch die Wellen.

Unglaublich. Aber wahr!!!

Ein Dank dem Käpt´n für diese wundersame Erfahrung!

Seit der Übernahme von C´Alma hat sich mein Boots- und Segelverständnis um Welten verbessert. Meine Motivation ist hoch – nächstes Jahr im Juni werde ICH offiziell – in Theorie als auch in der Praxis – Käpt´n sein. Ein großer Schritt für mich. Vom Mit-Fahrer zum Selber-Fahrer. Dank dieser Motivation wurde mein Ehrgeiz wachgerüttelt, den Windschatten der Mitfahrer-Position zu verlassen und mir Wissen anzueignen, das mir bis dato zu fern meiner Fähigkeiten schien.

Ein gutes Beispiel dafür, wie viel die richtige Einstellung bewirkt – Unmöglich Scheinendes wird möglich! – Die Gesetze und Hilfestellungen des Universums wirken, wenn man es nur zulässt!

Ein Aufenthalt gaaanz vorne am Bug – meinem Lieblingsplatz an Bord jeden Schiffes –  bildet das sogenannte Tüpfelchen auf dem „i“ nach diesem tollen Erlebnis.

So bereichernd kann ein „Halbtagesausflug“ sein – am Nachmittag erst haben wir die Baio da Tarrafal verlassen, Kurs Richtung Norden, solange es uns freut, am Abend wollen wir wieder in diese Bucht zurückkehren – Starkwind (bis 25 kn) und Böen (bis 40 kn) sind angesagt.

Wieder vor Anker wird ein ausgedehnter Schnorchelgang in der Abenddämmerung zu wahrem Genuß-Schnorcheln….

Resumee für diesen Tag: La vie est belle!

Freitag, 22. September

Gestern Abend wurde das Geschäft angebahnt, heute früh zu unserer vollen Zufriedenheit abgeschlossen.

Mittels „Bordservice“ kamen 2 fangfrische Fische zu uns, zugestellt von 2 „nice & handsome young men“ incl. Säubern und Ausnehmen im Fischerboot.

„Bordservice“ – eine gute Idee der geschäftstüchtigen und fremdsprachenversierten Jugend!

How good to be able to speak english – all over the world!

Learn foreign languages and you have more chances in your life!

Statement des Haupt-Verkäufers (um die 20 Jahre jung), als sein um ca. 10 Jahre jüngerer Kollege unabsichtlich über Bord ging als Antwort auf mein besorgtes „Everything is okay?“: „He is a fisher-men – he is okay.“ Und tatsächlich, mit delphinhafter Schnelligkeit und Leichtigkeit ist er auch schon wieder im Boot.

Beim vormittäglichen Schnorchel Gang wiederum ein „einfach-nur-schön“-Erlebnis!

Kaum im Wasser, direkt nach der Ankerkontrolle, sehe ich backbord unweit von mir einen Schwarm mittelgroßer, hellblauer Fische. Schööön! Schon wollte ich den Blick abwenden, kommt etwas Großes, von oben kommend, in´s Blickfeld – so nah, dass ich im ersten Moment zurückschrecke.

Hinter dem Schwarm blauer Fische taucht eine Riesenschildkröte geruhsam – nachdem sie sich für den nächsten Tauchgang mit Sauerstoff versorgt hat – ab. WOW! Ein magisch-schönes Unterwasser-Bild! Ein Moment für mich alleine – der Fotoapparat war an Bord geblieben.

Einsamkeit, die wir lieben, gibt es dann, wenn wir jemandem davon erzählen können… – so bleibt es bei der Erzählung – diesmal keine Verstärkung via Foto!

Die Schildkröte taucht den Meeresboden entlang und erlaubt mir, über ihr zu schweben. Sie taucht die ganze Bucht aus – ich über ihr. Der fossilen Ruhe entsprechend ist es ein leichtes, das Schildkrötentempo zu halten.

Der von der Schildkröte gewählte Weg führt auch in der Nähe unseres Bootes vorbei, und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, mir mittels Zuruf den Fotoapparat reichen zu lassen – und schon war sie verschwunden. Die Bucht ist an den meisten Stellen so tief, dass genaue Beobachtung notwendig ist, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Die paar Sekunden des Nicht-Beobachtens haben gereicht, zumal es hinter unserem Boot sowieso in die Tiefe geht.

Der Käpt´n hat sie gestern bereits beim Luftholen beobachtet, ich sah heute kurz ihren Kopf über Wasser ….  vielleicht taucht sie ja auch wieder zum Luftholen auf, wobei die Wahrscheinlichkeit gering ist, ein wiederholtes Auftauchen in einem Schnorchelgang zu erleben: Meeresschildkröten können bis zu 5 h unter Wasser bleiben – the hope is dying last – ich tümple noch ein bisschen in der Gegend, wo ich die Schildkröte verschwinden zu wissen glaubte – keine Turtle – mir wird frisch, ich nehme Kurs auf unser Boot – und …. Da ist sie wieder! Sie zeigt sich doch tatsächlich nochmal!

Begeistert schwebe ich wiederum über ihr – diesmal mit Fotoapparat bewaffnet, doch die Schildi ist so weit in der Tiefe, dass ich viele Wasser-Fotos kreiere aber mit maximal einem unscharfen Schildi-Schatten. Egal… Danke, Turtle! Keep diving – gut Luft!

Knapp die Hälfte des richtig fachmännisch vom Käptn in der Zwischenzeit filetierten und zubereiteten großen Fisches des morgendlichen Bordservices hat nach diesem dem Körper wärmeraubenden, der Seele wärmespendenen Erlebnisses so richtig gut gemundet – ebenso die Süßkartoffel-Maniok-Beilage!

Nach diesem angenehm-geruhsamen ¾ Tag in der Bucht juckt es uns schon wieder mächtig in unseren Segler-Fingern.

Aufgrund des angesagten Starkwindes lagen wir heute mit 2. Anker verkattet – obwohl die Bucht guten Wind-Schutz bot – aber schließlich gehören Manöver auch geübt und es schlief sich einfach besser.

Das Verkatten hat sehr gut funktioniert, beim nächsten Verkattungsmanöver wird der 2. Anker mit Boje versehen – erleichtert das Einholen – der Käpt´n hat befunden: er ist doch schwer.

Lerneffekt: Nur bei Stillstand bergen! Erst wenn auch der 2. Anker glücklich wieder an Bord ist, ist Fahrt aufzunehmen – er ist doch schwer (siehe oben ?)

Wir lichten den Anker um ca. 17h30 und nehmen Kurs gen Süden, Richtung Praia – Umrundung von Santiago, nächstes Ziel: Insel Maio! Die südlichste der Ostinseln und für uns die erste „Sonnen-Sand-und-Wüsteninsel“.

Samstag, 23. September

Wieder eine Morgendämmerung auf hoher See!

Bei guten Segelbedingungen (Wind um die 20 Knoten) und schönem Aufkreuz-Kurs sind wir um 7 Uhr morgens bereits ca. 10 nm vor Maio!

So das Empfinden des Steuermanns.

Und wie gestaltete sich die Nacht in der Wahrnehmung des ruhesuchenden Teils der Crew?

Die Antwort lautet: Heiss, laut, unruhig, anstrengend, viel zu bewegt, unangenehm, wenig erholsam.

Nach einer derart unerquicklichen halben Nacht könnte man über Sinn oder Unsinn solcher Unterfangen sinnieren, lamentieren und diskutieren.

Oder man stellt sich unter den funkelnden Sternenhimmel bei idealem Segelwind hinter´s Steuer und schon wetteifert das Funkeln in den Augen mit dem Funkeln des Sternenhimmels und dem Aufleuchten des Planktons in den Wellen, die sich am Boot brechen.

Die Grundlage der Diskussion über die Sinnhaftigkeit löst sich auf und verweht über den Weiten des Ozeans ….

Die Monate von Juli bis September werden auf den Kapverden als Regenzeit bezeichnet, per definitionem regnet es in diesen Monaten an 3 – 7 Tagen pro Monat.

Um 9 h 52 spürt der Käpt´n ein paar Tropfen auf seiner Haut – und – tatsächlich – auf der Holzverplankung werden – in lockerer Formation 😉  – frisch gefallene Süßwasser-Regentropfen sichtbar!

Hurra! Heute ist ein Regentag!

Wenn Salzwasser en masse vorhanden ist, aber Süßwasser in Trinkwasserqualität großteils nur in Plastikflaschen und vom Festland importiert zu haben ist, bekommt Süßwasser einen anderen Stellenwert für Mensch, Tier und Pflanzen.

Um 12 h 30 sind wir – 394 nm nach dem Auslaufen aus Mindelo – vor der Süd-West-Küste Maios!

Auf MAIO werden gerade kilometerlange Sandstrände aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt – die Bauindustrie und großteils ausländische Investoren haben die Vermarktungsmöglichkeiten erkannt.

Der höchste Berggipfel erhebt sich keine 500 m in den Himmel – zu wenig, um die Wolken zu halten – auf Maio regnet es praktisch nie!

Die Bevölkerung ist es über Jahrhunderte gewohnt, unter widrigsten Bedingungen dem kargen Land Lebensmöglichkeit abzuringen – mögen die Touristen leichter zu melken sein als die hageren, der Landschaft entsprechenden Ziegen.

Auf unserem Weg Richtung Norden, der Westküste von Maio entlang, begegnet uns – oh Freude! – eine große Delphinschule! Für Momente scheint es von Rückenflossen nur so zu wimmeln!

30 oder mehr Freudenbringer sind schnell und zielstrebig unterwegs. Die Delphine registrieren unser Boot und deren Lebewesen – kurzfristig kommt Unordnung in die Formation – doch sie behalten ihre Route und Geschwindigkeit bei. Mit uns zu reisen, hätte quasi bedeutet, in standby-Modus zu gehen – so langsam wie wir unterwegs sind! 😉

Ein paar von ihnen geben ihrer Lebensfreude durch kecke Sprünge Ausdruck – ein herrlicher Anblick! Gute Reise und Danke für den Besuch!

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