„Der frühe Vogel erkundet mit dem Robinson-Crusoe-Feeling!“
Im Morgengrauen tuckert Vitaminchen los und wir sind tatsächlich kurz nach 7 Uhr das einzige Boot am feinen Sandstrand von Marathonisi und wohl die einzigen menschlichen Lebewesen auf der ganzen (unbewohnten) Insel und haben somit das Privileg, die Brutstätte der Unechten Karettschildkröte (Caretta Caretta) vorsichtig und bedacht in trauter Zweisamkeit zu erkunden.
Von Ende Mai bis Ende Juli kommen die Schildkrötendamen des nächtens zu ihren Geburtsstränden zurück, buddeln im Sand ca. 50 cm tiefe Löcher aus und legen dort 80 bis 120 zerbrechliche, etwa tischtennisballgroße Eier ab, decken sie mit dem warmen Sand wieder zu und verschwinden in den Fluten.
Die Brutpflege übernimmt die Sonne….
….. und viele unermüdliche ehrenamtliche Mitglieder von Tierschutzorganisationen!
In dieser Zeit dürfen die Strände nachts gar nicht mehr betreten werden und tagsüber nur in den ersten 5 Metern des kleinen Strandes – um sowohl den Schildkrötendamen eine ungestörte Eiablage zu gewährleisten als auch die wertvollen Nester nicht zu beschädigen.
Nach ca. 50 Tagen schlüpfen die Schildkrötenbabys (großteils ebenfalls in der Nacht) und machen sich sofort auf den Weg zum Meer.
Tagsüber ist die Boots- und Touristenfrequenz enorm hoch, zumindest ist der Strand aber frei von Bade-Utensilien, d.h. die soeben geschlüpften Jungtiere haben „freie Bahn“ zum Wasser. Auf Kreta z.B. müssen sie sich ihren Weg durch einen Wald von Liegestuhl- und Sonnenschirm-Gestellen suchen, wenn nicht von Tierschutzorganisationen Zäune als „Krabbelstrecken“ errichtet werden, um es ihnen zu erleichtern.
Dieses im Wasser enorm behende und wendige, urtümliche Lebewesen wird bis zu einem Meter lang und kann bis zu 110 Kilogramm schwer werden – und damit trotzdem 30 Kilometer pro Stunde erreichen! Umso erstaunlicher und bemerkenswerter, dass mich „meine“ Schildkröte auf Kithiros stundenlang als Begleiter akzeptiert hat, mit (oder wegen?) mir in Ufernähe geblieben ist und ihre „Bauartgeschwindigkeit“ auf angenehme Flossen-Schnorchel-Geschwindigkeit gedrosselt hat! Möge sie und alle ihre Artgenossen gesund und glücklich das Schildkrötenmedusalem-Alter von 70+ erreichen!
Griechenland ist führend im Mittelmeerraum puncto Eiablage. Es beherbergt ungefähr 60 % aller Gelege der Caretta-Caretta. Neben Zakynthos kommen die Schildkröten auch nach Korfu, Kefalonia und Kreta als auch an mehrere Strände am Peloponnes.
Die restlichen 40 % werden an den Stränden Zyperns und der Südtürkei abgelegt.
Aufgrund dieser Brutstätten als auch dem Vorkommen von Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) wurde die Bucht von Laganas 1999 als Meeresnationalpark deklariert. Was auch immer einen „Meeresnationalpark“ ausmacht. Schutz der Unversehrtheit und Schutz vor Ausbeutung zum Beispiel.
Eine zahlenmäßige Touristenbeschränkung oder Speedboot-Limitierung offensichtlich nicht, aber immerhin eine zeitliche.
Nächster Programmpunkt: Futter für uns und für Paulchen bunkern – das letzte Mal in Griechenland.
Auch auf der Ostseite von Chameo geht es auf dem Wasser zu wie in einem der Wimmelbücher. Paulchen gönnt sich mitten auf der Strecke eine Pause und stirbt ab.
Nach 3xigem Ziehen am Starterseil gönne ich mir eine Pause, um gedanklich mögliche Fehlerquellen zu eruieren – und schon werde ich gefragt, ob ich Hilfe brauche!
Und wieder einmal bin ich begeistert von der Hilfsbereitschaft der Griechen!
Und stelle auch wieder einmal für mich fest: Ich bin gerne Frau! *lach*
Paulchen lässt sich nach mehrmaligem Zureden bzw. Anziehen an der Starterleine auch von Frau überreden, wieder seinen Dienst anzutreten und schließlich parke ich Vitaminchen am quirlig belebten Sandstrand neben einem Mini-Market und genau vor einem Bootsanbieterstand ein.
Bei den Betreibern frage ich nach, ob dieses Abstellen hier in Ordnung ist.
„Natürlich“ kommt prompt die Antwort.
Tja – in Griechenland ist es das – natürlich!
Während der ca. 2-jährige, fröhlich vor sich hinbrabbelnde Sohn der Mini-Market-Besitzer – auf dem Fließband der Kasse sitzend – meine Einkäufe erkundet, erzählen die sympathischen Eltern, dass sie später, wenn Sohnemann ein bißchen größer ist, mit einem Segelboot die Welt erkunden wollen.
Zu guter Letzt darf ich mir ein Souvenir aussuchen –
die „Schildi auf Sand“ wird mich wohl noch lange an Zakynthos und diesen letzten Lebensmitteleinkauf erinnern!
Zurück bei Vitaminchen frage ich beim Bootsvermieterstand, an dem reges Treiben herrscht, nach einer Tankstelle.
Der besorgte Blick des Mannes wechselt von mir auf meinen 5-Liter-Kanister und wieder zurück zu mir. Die nächste Tankstelle ist weit weg, vernehme ich.
„Wait“, meint er. „Wait one moment!“. Er versucht, die Aufmerksamkeit seines gerade mit potentieller Kundschaft beschäftigten Kollegen zu erhaschen.
Seine Besorgnis scheint zu steigen. Jetzt ist es mir ein Bedürfnis, klarzustellen:
„Sooo dringend ist es gar nicht – wir haben noch genug Treibstoff. Ich dachte nur, falls eine Tankstelle in der Nähe ist….!“
„Wait one moment. Wait“ meint er wiederum.
Kurze Zeit später schwingt sich sein Kollege auf´s Motorrad, nimmt sich meinen Kanister zur Brust und entschwindet, um mir eine Viertelstunde später den gefüllten Kanister wieder in die Hand zu drücken.
Mit Rechnung.
Neinneinneinnein. Nicht mehr.
Dochdochdochdochdoch. Diese „supernette Selbstverständlichkeit“ ist ein „Extra“ selbstverständlich wert!
Die im Schatten des Standes untergebrachten Einkäufe landen incl. Kanister im Vitaminchen und zu guter Letzt – die Brandung braust ordentlich heran – schieben mich die Mannen vom flachen Strandgebiet in´s tiefere, motorgängige Wasser.
Hach! Wie wohlfühlig war denn dieser letzte Landausflug auf griechischem Boden!
Anker hoch! Die Winde sind pünktlich!
Wir verlassen Zakynthos, lassen Marathonisi hinter uns
Tatsächlich: der gesamte Buchtbereich ist gesäumt von Booten – an Land als auch im Wasser!
Griechenland ade – Italien, wir kommen!
Ein Schmetterling flattert flügelzittrig in´s Cockpit, lässt sich im Heck-Bereich nieder und ruht sich aus. Ein Tellerchen mit Zuckerwasser, Ananas und Banane wird ignoriert.
Er versucht einen Neustart, verlässt den windgeschützten Bereich und kommt sofort wieder retour – diesmal versteckt er sich vor dem Wind unter dem Sprayhood.
Wir sind bereits mehr als 6 Meilen von der Küste entfernt.
Der kleine Flatterling müsste sich gegen 20 Knoten zurückkämpfen. Unvorstellbar, dass der Kleine diese sportliche Höchstleistung schaffen könnte. Auch in ausgeruhtem Zustand würde es wohl über seine Kräfte gehen.
Seine Ration haben wir bei der Verproviantierung zwar nicht mitkalkuliert, aber den Wicht können wir allemal durchfüttern!
Und die Verwandten in Italien wollen schließlich auch einmal besucht werden!
So haben wir endlich einmal einen Admiral an Bord! Seine Eminenz bekommt eine eigene Suite. das Sprossenglas!
Nunmehr zu Dritt segeln wir in den Sonnenuntergang…