NAXOS bei Nacht

Erstens kommt es anders…..

Der Wind hat zugelegt, um ca. 2 uhr nächtens rollt sich der Käpt´n aus den Federn und spricht: „Bald reicht´s mir mit der Rollerei!“ Ich gebe ein (hoffentlich) verständnisvolles, mitfühlendes „mhm…. „-Gemurmel von mir und 2 sec. später höre ich: „Hilfst mir?“

Na claro – wenn der Käpt´n ruft…. *grins*

Die Tagwache wird vorverlegt, der Anker wird gelichtet, Vitamine wird in den nahegelegenen Hafen – quasi gleich um´s Eck – verlegt.

So der Plan.

Beim Zurückschieben im Hafen, kommt mir der Gedanke: Vitaminchen! Unser Dinghi hängt ja noch hinten dran und das könnte sich auf´s Anlegemanöver negativ auswirken – es gehört zumindest woanders befestigt.

Der Blick nach hinten gibt in Hinblick auf das Anlegemanöver Entwarnung: Kein Dinghi zu sehen.

Aber in Hinblick auf unser Dinghi: Alarmstufe Rot: Dinghi-Verlust!

Dinghi-Such-und-Rettungs-Aktion wird sofort gestartet!

Das heißt in praktischer Umsetzung, dass wir das Anlegemanöver abbrechen und in die Bucht, die wir gerade verlassen haben, zurückfahren. Wir gehen davon aus, dass Strömung und Wind unser Vitaminchen irgendwo in der weitläufigen Bucht an Land geschwemmt hat.

Unpraktischerweise ist es so dunkel, dass wir das Land nicht erspähen können und unseren Taschenlampen fehlt die Reichweite – mit unseren 1,9 m Tiefgang können wir nicht nah genug an´s Ufer und vor den Felsbrocken und Untiefen im Norden der Bucht haben wir sowieso Respekt. In der Dunkelheit erst recht.

Okay.

1. Dinghi-Such-und-Rettungs-Aktion wird abgebrochen.

2. Anlegemanöver im Hafen wird eingeleitet.

Auf dem Kat neben unserem auserkorenen Anlegeplatz ist Licht – oho! Noch ein paar Nachtschwärmer! Und oh Glück! Denn der nette griechische Kat-Käpt´n springt hurtig vom Boot, um uns beim Anlegen zu helfen. Die ihm Gesellschaft leistende Nachtschwärmerin ist aus der Czech Rep.

Was jetzt?

An Schlafen ist sowieso nicht mehr zu denken in dieser Nacht.

Und die Vorstellung, dass es unser armes, kleines, braves Vitaminchen an Felsen angelandet hat, wo es immer und immer wieder dagegenschlägt, ist äußerst unangenehm.

2. Dinghi-Such-und-Rettungsaktion wird gestartet:

Ich mach mich mit Taschenlampe und Handy im wasserfesten Bag um ca. 3 Uhr auf den Weg, in der Hoffnung, dass irgendwo irgendwann ein Dinghi mutterseelenallein zu meinen Füssen liegt.

Noch im Ortsbereich, irgendwo entlang der Lokale, schließt sich mir Konstantino an, ein höflicher, zuvorkommender, hilfsbereiter 45-jähriger Grieche, der mich auf meiner Dinghi-Mission begleiten will. Er kann sich zwar unter „Dinghi“ and „small boat, filled with air“ nichts vorstellen, aber diesen Umstand hat ein zugedecktes, festgemachtes Dinghi auf dem Sandstrand schnell behoben.

Und so gehen wir den Sandstrand entlang,  beim letzten Lokal vorbei…. Sandstrand pur…. Und gehen… und gehen…  Ein Surf-Verleih taucht auf, bietet auch Sitzgelegenheiten, und danach ist es aus, meint Konstantino, und nutzt die Sitzgelegenheit des Surfverleihs. Mit Blick auf seine leinenstoff-beschuhten weißen Schuhe und der eleganten langen Hose kann ich das auch absolut nachvollziehen. Mit meinen Wassersandalen + kurzer Hose habe ich den richtigen Dress, um auch den „wilderen“ Strandabschnitt zu erforschen – schließlich muß Vitaminchen ja irgendwo „da draussen“ sein.

Sandstrand, Dünen…. Das Ende der Bucht und damit der felsige Teil rückt näher…… kein Dinghi in Sicht….. ! Die Gleichförmigkeit des Strandes wird nur unterbrochen von der unterschiedlichen Menge an angeschwemmtem Seetang, hin und wieder einer bizarr aussehenden Wurzel und manchmal einem Busch, der zeitweise von Wellen umspült wird.

Was für ein wunderbarer Spaziergang – Im Mondlicht am Sandstrand in einer bananenförmigen Bucht, bis zu den Knöcheln zeitenweise sanft von Meereswellen umspült, angenehm-erfrischender Wind sachte auf der Haut….  ich alleine mit der Natur – herz-geist-erfrischend!

Perfekt!

Wenn da nicht der zugrundeliegende Auslöser wäre bzw. eben noch nicht da ist.

Wie ich mir überlege, den netten Kat-Skipper neben uns zu fragen, ob es Sinn macht, den Dinghi-Verlust der Polizei zu melden – er als Grieche mit See-Erfahrung kann das sicher einschätzen – taucht ein grauer Brocken vor mir auf und Sekunden später liegt mir Vitaminchen zu Füssen!!!!

Der folgende Freudentanz, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es wirklich UNSER Vitaminchen war, hat wohl Rumpelstilzchen-Charakter!

Und es war unversehrt, alle Luftkammern gefüllt, der Motor nach vorne gekippt, aber unbeschädigt, das lose Seil im Inneren ganz gleich auf dem Boden liegend – Vitaminchen wurde einfach an den Sandstrand angeschwemmt – die beste Variante ever!

Der geschwind informierte Käpt´n freut sich mit!

Und jetzt wäre es voll cool, Vitaminchen auf dem Wasserweg zu Vitamine zu bringen!

Die Ausführung von diesem „Plan A“ gestaltet sich als schwierig. Nach etlichen Versuchen lege ich ihn ad acta. Der Druck der Wellen Richtung Land und meine wenige Dinghi-Motor-Erfahrung lassen diesen ach so hervorragenden Plan scheitern.

Aber Plan B ist bereit und dieser schaut so aus, dass ich das Dinghi weiter hinaufziehe, bis in den Bereich, wo der Sand unregelmässig ist, und so zu erkennen gibt, dass hier die Wellen schon länger nicht mehr darübergerollt sind.

Und dann mache ich mich auf den Weg retour – und kann JETZT dieses „Einsamer-Sandstrand-im-Mondenschein-Feeling“ voll auskosten!

Konstantino ist nicht mehr auffindbar – ich hätte ihm an meiner Freude teilhaben lassen und ihm gesagt: „You are my lucky angel! Mission successful!“

Am frühen Vormittag gelingt mit Dinghi-Käpt´n Sepp das Wieder-Vereinen von Mutter und Tochter, von Vitamine + Vitaminchen! Dank des mitgenommenen Treibstoffes – auf halber Strecke wären wir sonst „verhungert“.

Um die Mittagszeit bringe ich – erstmalig in meinem Leben – unsere gesamte Schmutzwäsche, incl. Bettzeug, in die Wäscherei. Bereits am Abend können wir es frisch duftend, getrocknet und schön zusammengelegt in handlich verpackten Säcken von gut gelauntem Personal übergeben, wieder abholen.

Wie angenehm! Es waren locker 3 Maschinen voll – das hätte viel an Zeit und Aufwand, vor allem aber an unhandlichem Hantieren von den großen Wäschestücken an Bord bedeutet! Diese 10 Euro pro Maschine sind es uns allemal wert!

Auch dem i-repair statte ich einen Besuch ab, vielleicht kann dieser Shop mein screen-problem auf meinem aktuell nicht funktionierenden Handy lösen. Leider nein, zu viel Zeit + zu viel Geld sprechen dagegen.

Den ganzen Tag über bläst der Wind ordentlich – so wie er eben in der Nacht, eigentlich schon am gestrigen Abend, begonnen hat. Uns wird bewußt, dass dies wiederum der Meltemi ist! DER Wind in Griechenland (ein trockener, kalter Nordwind), der von Frühling bis Herbst oft tagelang vom Norden, vom griechischen Festland aus, über den nördlichen und mittleren Teil der Ägäis fetzt und dann, Richtung Kreta, wie eine gigantische Bö ausfächert. Tja – jetzt erleben wir ihn! Bis jetzt nicht dramatisch – 20 bis 30 Knoten – trotzdem – wir sind wiederum froh, gut versorgt im Hafen zu liegen.

Unsere frische Bettwäsche schreit förmlich nach frisch geduschten Körpern. Hm… die Marina bietet keine Duschen, nur 2 Baustellen-WC´s sind aufgestellt. Aber im Hafen wird „extern“ eine Möglichkeit angeboten. Nichts wie hin! Gesucht – gefunden.

Ein großes Plakat bietet Gepäckaufbewahrung, heisse Duschen und auch Zimmervermietung an. Wie verheißungsvoll!

Uns öffnet ein altes Muatal. Gleich nach der Glasscheibe der Eingangstür befindet sich die Küche, in der sie gerade hantiert hat, so dass wir schon von aussen gesehen haben, dass sie offensichtlich Probleme beim Gehen hat.

Sie schenkt uns ein faltiges, sonniges Lächeln, würde unseren Wunsch nach Duschen gerne auf morgen verschieben, willigt dann aber doch für heute ein und sagt, wir können in einer guten halben Stunde wieder kommen.  Denn dann ist das Wasser warm – weil kalt Duschen ist ja nicht fein.

Gesagt, getan – pünktlich um 20 Uhr stehen wir wieder vor der Tür.

Die blau-weiß-beschürzte, stämmige Frau mit ihren grau-weissen, schütteren Locken kommt heraus und verschwindet in der Nebentür. Es wird hell und sie schlurft langsam und mit Zuhilfenahme beider Hände das enge Stiegenhaus bis in den 3. Stock vor uns her – der letzte Aufgang ist eine Wendeltreppe im Freien.

Oben, auf dem Dach, angekommen, räumt sie als Erstes ein Wäsche-Wandl mit eingeweichter Schmutz-Wäsche aus dem Raum mit den Vintage-Fliesen, die nicht nur alt ausschauen, sondern auch alt sind. Der Raum ist Dusche+WC in einem (das sind wir vom Bordleben durchaus gewohnt), macht Licht, schaut, ob es sauber und ordentlich ist, testet, ob das Wasser wirklich warm ist und sagt uns eindringlich, was wir zu tun haben, wenn wir fertig sind: Licht aus + Türe bis auf 2-fingerbreit zuschieben. Jawoll. Verstanden. Und wir verstehen auch, dass sie heute nicht noch einmal diesen für sie so beschwerlichen Weg auf sich nehmen will.

Kostenpunkt: Euro 10,– pro Person. In Vieste haben wir bei Euro 5,– verweigert.

Aber die Bettwäsche ist nunmal frisch, wir sind nunmal auf „Dusche“ eingestellt, und – vor allem – die Mühen vom Muatal, dieser vielseitigen Unternehmerin, die schon längst Pensionsalter erreicht hat, sollen nicht umsonst gewesen sein.

Es war herrlich warm, und das Abendessen danach in einem kleinen, hübsch eingerichteten Lokal war hervorragend.

Wir haben uns den windgeschütztesten Tisch, gleich neben der Küche, ausgesucht – der Meltemi ist noch aktiv!