5 Stunden schönes, gemütliches Segeln – was für ein schöner Sonntagsausflug!
Und so nebenbei wechseln wir die Insel!
Die Insel Sal liegt im Kielwasser, die Insel Boavista (die mittlere der Ost-Inseln auf den Kapverden) liegt vor Vitamine´s Bug.
Der Käpt´n genießt die Großwetterlage und das „Sein“ – auch das Anglerglück ist ihm hold: es beisst an, das Gmüas! Schwimmt ja auch genug davon herum!
Und gesund ist es auch noch! Kelp (Seetang) ist Mineralstoff- und Vitaminreich.
Hm… für diesmal geben wir dieses Geschenk des Meeres wieder dankend zurück. So ganz sicher sind wir uns denn doch nicht, ob dieses Grün- bzw. eher Braunzeug dieser gesunde Kelp ist.
„Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht!“ denn „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!“
Unser Weihnachtsstern-Mann im Cockpit nickt verständnisvoll.
Bei der Ansteuerung von der Bucht Sal Rei auf Boavista ist unser „Revierführer Kapverden“ von Kai Brossmann et al. anno dazumal, von unseren 2-Wochen Kapverden-in-2018 wiederum sehr hilfreich. Hier verstecken sich einiges an Untiefen.
Der Ankerplatz in der Bucht Sol Rei auf Boavista besticht durch einen schönen Sandstrandbereich mit Sand-Hang schräg vor uns. Wie schön! Sehr einladend, um Hinaufzuklettern (2 Schritte vor, 1 zurück) und Hinunterzukugeln …. hach, war das nett in Morro Jable im Süden von Fuerteventura!
Die Nacht verläuft ebenso wie der Tag – ruhig und angenehm.
Zumindest die erste Hälfte der Nacht. Schwell raubt dem Käpt´n die Nacht-Ruhe und treibt ihn so gegen 2 Uhr früh aus dem Bett.
Hm. Er hat uns eingeholt, der Schwell! Wir sind ihm davongesegelt und glaubten, die Flucht ist gelungen … aber jetzt hat er uns wieder. Stärker als zuvor in Santa Maria. Wahrscheinlich aufgrund der Wiedersehensfreude. Sie beruht nicht auf Gegenseitigkeit !!!
Die Wellen rollen meterhoch an, die Gischt überschlägt sich am Kamm, der Wind treibt einen intensiven Sprühnebel vor sich her… schön zum anschauen –
Die schönen Dünenhügel verschwinden vollständig hinter der Welle!
Der Käpt´n hält tapfer durch bis in den späten Vormittag hinein.
Er stemmt sich seit den frühen Morgenstunden (siehe Bettflucht) mit beiden Füssen rechts und links an seinem Arbeitsplatz ab, keilt sich in seine bepolsterte Bank, und ist ständig in Lauerstellung, um seinem Laptop bei Verlust der Standhaftigkeit aufzufangen.
Puh! Wie anstrengend! Und unwohlfühlig! Er hasst genau das, der Käpt´n!
Für ihn ist diese 3-dimensionale Bewegung, hervorgerufen durch die hohen, durch Vitamine hindurchrollenden Wellen, schlimmer als Achterbahnfahren rückwärts!
(Und das ist schon sehr schlimm)
Sanddünenhang bye-bye!
Nichts wie weg!
Nur… wohin? Weiter in den Süden wollen wir nicht – der Winkel für die Anfahrt auf Dakar würde sich verschlechtern. Also wieder hinauf in den Norden.
Die Ankerkralle hat sich erstmalig so in die Kette verkeilt, dass ich sie händisch – trotz loser Kette – nicht voneinander lösen kann – die Ankerwinch und deren Zug muss helfen.
Wieder frei geht Vitamine direkt hinein (im 90-Grad-Winkel) in die meterhoch anrollenden Wellen. Sie zeigt – beim Erklimmen des Wellenkammes – mit dem Bug hoch in den Himmel und im nächsten Moment – beim Hinabgleiten in´s Wellental – tief in´s Wasser.
Wow! Was für ein tolles Gefühl! (Das Wort „Achterbahn“ möchte ich hier nicht wieder in den Raum bzw. den Wind bzw. die Welle stellen)
Auch optisch hat diese etwas bizarre Situation, dieses „Surfen auf der Flucht vor und mit dem Schwell“ viel zu bieten: sich überschlagende weiße Wellenkämme in Ufernähe mit viel Schaumkrone und mit viel Windzerstäubung glitzernd und funkelnd im Sonnenschein – mega!
Auf offener See umgeben uns wiederum angenehmste Segelbedingungen.
Unter unserem Kälteschutz ist es angenehm warm, auch während des Segelns.
Wir kreuzen in langen Schlägen auf – bis vor Santa Maria, beschließen, den Wind zu nutzen und in die Bucht Mudeira hinaufzusegeln (dort sind wir immerhin das letzte Mal sehr ruhig und schwellfrei gelegen).
Beim Anfahren des Ankerplatzes merken wir, wie die anrollende Welle Vitamine hochhebt. Nein Danke.
Auf nach Palmeira! Dort ist es sicher WIRKLICH ruhig! Dort klappt es mit Schwell-Frei!
Die 6 Stunden des Hinuntersegelns werden zu 15 Stunden des Hinaufsegelns.
So hatten wir uns das nicht gedacht – aber – unverhofft kommt oft!
Und oft ist unverhofft unverhofft schön!
In Palmeira haben wir ja schon Heimvorteil – der Anker fällt – um halb 4 in der Früh – nur ein paar Meter vom letzten Ankerplatz entfernt. Wie nett, dass er für uns freigehalten wurde!
Und wie angenehm, dass die Dezember-Nächte hier deutlich wärmer sind als auf den Kanaren oder gar am europäischen Festland. Langärmelig und Gilet sind ausreichend! keine dicke Wintergarnitur erforderlich!
Und der Schwell?
Er brandet direkt rechts von uns an die Küste – ebenfalls meterhoch – wie in Sal Rei.
Der Unterschied ist: Wir liegen ruhig! Direkt rechts von uns geht die Post ab – und wir sind die paar entscheidenden Meter im geschützten Bereich.
*halleluja* Schwell-Flucht geglückt!
Ich sitze gerade
(gemeinsam mit unserem nachtaktiven, geflügelten Passagier, der bei uns tagsüber ein Schattenplatzal gefunden hat)
im Cockpit.
Meine Spanisch-Lern-Audios im Ohr, die grüne Fahrwasserboje direkt am Heck von Vitamine im Blick.
Hm… kommt die grüne Boje näher? Oder doch nicht?
Und schon piepst der Ankeralarm, der das Potential hat, Tote zu erwecken. Und das ist gut so. Je aufdringlicher und intensiver, desto besser.
Ja – wir sleepen! Also Motor an, Anker hoch, ein paar Meter nach vorne, Anker setzen. Neuer Versuch… er gelingt …. Anker hält!
Neue Cockpit-Beschäftigung:
Wie sieht denn eigentlich die Senegal-Flagge aus? Google weiß alles!
Der Gedanke, auch Senegal einen Besuch abzustatten, keimt in unseren Köpfen.
Es ist noch ein zartes Pflänzchen… aber man weiß ja nie….
Plans change quickly!
Wenn man so im Cockpit sitzt und das in einer großen Bucht mit vielen ankernden Booten, direkt neben dem Fahrwasser und gegenüber des Hafens, an dem auch die Berufsschiffahrt anlegt – ja dann hat man eine Eintrittskarte für´s „Hafenkino“ gratis dabei:
Ein Boot liegt viel zu weit im Fahrwasser, streckt das Dinghi im Anhang vorwitzig noch weiter hinein – und somit mitten in den Umkehrbereich der großen Kollegen. Ein Frachter tastet sich vorsichtig der Fahrwasserrinne entlang herein. Ein Crew-Mitglied steht vorne am Bug und durchschneidet wild gestikulierend die Luft mit seinen Armen. Es hat den Anschein, dass er dieses deplazierte Segelboot samt vorwitzigem Dinghi hochnehmen und auf die Seite stellen möchte. Oder doch gleich zum Mond hinauf.
Auf dem Segelboot herrscht Ruhe. Nichts rührt sich.
Der große Tanker dreht sich, liegt quer, beidseits knapp zwischen den Fahrwasser-Begrenzungsbojen und schließlich wendet er und fährt wieder hinaus und geht in Warteposition. Die Hafenpolizei schießt mit einem kleinen Motorboot zum Segelboot. Dessen Crew beginnt sich zu bewegen, hebt den Anker und gibt die Fahrwasserrinne frei.
Der große Frachter fährt wieder ein und – ja – er brauccht tatsächlich den ganzen Platz, um zu wenden und sich an den Pier legen zu können.
Das Segelboot, dass die Großschiffahrt behindert hat, ist nach wie vor auf der Suche nach einem guten Ankerplatz. Es befindet sich in bester Gesellschaft. Etliche Segelboote fahren suchend auf und ab. Ja, der Ankerbereich ist voll! Bei dem starken wind und der starken Dünung wäre es auch kontraproduktiv für die Sicherheit, die Lücken zwischen den ankernden Booten aufzufüllen –
Während der Disziplin „Bootskuscheln“ wird oft „Hafenkino Teil 2“ gedreht!
Wo viele Booten parken, gibt es auch Bewegung. Ein paar Boote fahren im Laufe des Tages aus – für die Herbergsuchenden wird somit ein Platzal frei!
Vitamine hat in Tazacorte neue Lukenabdeckungen bekommen – von Alicia wunderbar genäht, aus dem Stoff, der von der neuen UV-Abdeckung an der Genua, angefertigt vom Segelmacher Giuseppe in Las Palmas, übriggeblieben ist.
Vitamine´s „Auftritt in Gelb“ wurde erweitert! Und nun harmonieren auch die Luken perfekt mit den Farben des Sonnenuntergangs!
Gegen 21 Uhr dringen Rufe von draussen in den Salon:
„CHRISTMAS“ und „VITAMINE“ ist zu vernehmen….
Der nette Kapverdier in seinem Holzboot hat´s erkannt! Die Beleuchtung im Cockpit stellt eine Weihnahtsbeleuchtung dar!
Jay bietet seine Dienste an. Er kann Wasser, Gas, Lebensmittel, Treibstoff und Co organisieren. Also alles, was ein Seglerherz begehrt.
Gute Geschäftsidee! Danke – aktuell haben wir alles – aber gut zu wissen, dass er auf Kanal 06 erreichbar ist!
Ob wir schon den Stempel haben – fragt er noch abschließend.
Ja – haben wir.. 2 sogar. (da wir ja bereits ausklariert haben – aber das hab ich ihm nicht verraten).
Beim letzten Mal anlegen mit dem Dinghi am Pier, kommen die jungen Boatboys zu spät.
Sie pflegen, die Leine in Empfang zu nehmen, beim Aussteigen zu helfen und die Leine festzumachen. Oder nach dem Landgang springt einer der Jungs schnell schnell mal behende in´s Dinghi, klettert geschickt von einem auf´s andere Boot. um unseres aus dem Wirrwarr der Leinen zu befreien, das in der Zwischenzeit entstanden ist. Soweit alles wunderbar! Aber diesmal stehen wir bereits an Land und Vitaminchen ist sicher festgemacht. Also nichts mit Kohle. Auftritt verpasst.
Wir gehen noch einmal in´s Rotterdam für eine Fischplatte – und bewundern den vielleicht einzigen Weihnachtsschmuck Palmeira´s ….
… und schießen ein weihnachtliches Zipfelmützenfoto – unter Palmwedeln.
Hach …. wie ist es schön, unseren Traum leben zu dürfen!
Wir sind dankbar und froh!
Die Boat-Boys fürchten um ihre Einkommensquelle und beim Zurückkommen wird der große Bruder (oder Onkel oder Cousin), jedenfalls der mit Englischkenntnissen, zu Hilfe geholt:
„Please give some money …. for the kids….“ tönt es ganz lieb an unser Ohr und er macht uns ganz lieb die Leine los und hilft beim Einsteigen. Dieses mal hat´s er eingesteckt, der große Bruder. Auch zurecht.
Die Regierung will diese Art von „Arbeit“ unterbinden. Weil bei der Jugend der falsche Eindruck von Arbeit entsteht.
Ich kann´s nachvollziehen. Ich orte mafiöse Züge. Aufkeimend und durch derlei Machenschaften bereits in der frühen Kindheit gefördert.
In Santa Maria wurde uns ebenfalls bereitwillig von den dortigen Kinderscharen geholfen. Ohne Erwartung einer Gegenleistung. Dort ist der Gedanke der Regierung wohl bereits angekommen.
Zum Beispiel ist in Santa Maria eines der Kinder sofort in´s Wasser gesprungen, um das Kapperl des Engländers zu retten, den wir mit dem Dinghi bei stärkerem Seegang von der schmalen Eisentreppe in´s Wasser katapultiert hatten.
Mit Haut und Haaren, mit Gewand incl. Kapperl, mit Rucksack und eingestecktem Handy hat sich der Arme mit vor Schreck geweiteten Augen plötzlich unter Wasser wiedergefunden. Dabei hatte er sich extra vorher die Badeschlapfen ausgezogen, um diese nicht nass zu machen. Shit happens.
Als er stoisch gelassen, wieder auf dem Pier stehend, versucht, sein Gewand auszuwringen, steht seine Begleiterin geduldig hinter ihm, mit seinem tropfnassen Handy in der Hand, und meint auf meine über sie hereinstürzende Entschuldigung nur: „It´s only water.“
Angesehenhat sie mich nicht dabei. Verständlicherweise.
Ich war noch nie so dankbar für das ruhige, gelassene Gemüt und die grundsätzliche Freundlichkeit der Bewohner des United Kingdoms.
Und schuld war die Welle! Natürlich. Was sonst!
Am 23. Dezember erledigen wir am Vormittag die Weihnachtspost:
„Weihnacht ist, wenn es uns gelingt, jemandem ein Lächeln in´s Herz zu zaubern!“
Diesen wunderschönen Spruch hat mein Käpt´n kreiiert!
Sowas aber auch! Dabei ist er der Stegreifredner und ich bin die Schreiberin + Formuliererin. Tja – immer dieses Schubladendenken!
Er kann ja nix dafür, dass ihm dieser zauberhafte Spruch stegreif eingefallen ist!
Diesen wunderbaren Spruch verbreiten wir großzügig an unsere Lieben!
Und wünschen Heidi ganz toll + fest, dass sie nach ihrer OP vor ein paar Tagen schnell wieder lächeln kann – im Herzen wie auch im Gesicht – im Innen wie im Aussen. Viele Gedanken voll positiver Energie gehen an sie!
Wo auch immer Euch die Sterne weihnachtlich vom Himmel leuchten –
habt es fein und feiert!
Dieser Spruch ging an Segler und andere liebe Menschen, die weltweit verstreut sind – und vielleicht gar nichts mit „Weihnachten“ anfangen können oder wollen.
Dieser Spruch entstammt meiner Feder. Bzw. meinen Fingern.
Yeah! Die Schubladen-Denk-Welt ist NICHT aus den Fugen geraten …..
Ausnahmen bestätigen nur die Regel!