Am Ende unsers Brasilien-Aufenthalts fragt uns Silvio, ob wir einen Bericht für Noonsite (eine vielgelesene Seglerseite) schreiben würden.
Natürlich würden wir das!
Hier ist er:
Segelabenteuer BRASILIEN – interessant, exotisch, wohlfühlig !
Land in Sicht! „Fernando de Noronha“ – unsere Pforte nach Brasilien – nach Südamerika.
1524 Meilen, 15 ½ Tage und die magische Linie „Äquator“ befinden sich zwischen uns und dem kleinen Staat Gambia in West-Afrika.
100e von Spinner-Delfinen begrüßen uns in der Bucht von Fernando de Noronha und genauso wohlfühlig werden wir von den Menschen aufgenommen.
Diese kleine, dem brasilianischen Festland vorgelagerte Inselgruppe besticht sowohl durch Freundlichkeit, Offenheit, Unkompliziertheit und Hilfsbereitschaft als auch durch Sauberkeit (Slogan „no plastic“) und üppigem Grün. Auch die Behördenwege gestalten sich erfrischend einfach – und einfach nett.
Ist dies das brasilianische Lebensgefühl? Das gefällt uns!
Sprachbarriere? Der deutlich dargebrachte „Daumen-hoch“ ist international und wird hier oft und gerne und deutlich eingesetzt – mit einem breiten Lächeln in den Gesichtern. Landessprache ist portugiesisch. Und sonst nichts. Brasilien ist schließlich (fast) so groß wie ein Kontinent, (fast so groß wie Europa), und selbst hier, auf der „Ausflugs-Insel“ Fernando de Noronha urlauben nunmal hauptsächlich Brasilianer!
„Marina Jacaré“ bei Cabedelo auf dem Festland im Fluss „Paraiba Norte“ ist 2 Segel-Tage entfernt und eine kleine „europäische Oase“. Hier steht VITAMINE ein paar Monate an Land, wohlbehütet unter den Fittichen von Nikolai, dem französischen Betreiber der Marina, während wir unserem Heimatland Österreich einen Besuch abstatten. Auch bei sämtlichen Behördengängen in Brasilien ist uns Nikolai eine wertvolle, zeit- und nervensparende Hilfe!
Auf der nächsten Etappe sind in Küstennähe viele Fischerboote anzutreffen, deren Tiefenbereich von 40 Metern erstreckt sich weit in´s Meer hinaus. Wir wählen die wenig befahrene Route der Berufs-Schiffahrt, ca. 50 Meilen von der Küste entfernt.
Dort trägt uns die Strömung mit bis zu 4 Knoten und der passende Wind unserem nächsten Ziel, der Insel „Lencois“, entgegen.
Nach ca. 250 Meilen gen Norden erwartet uns auf der Insel Lencois ein Paradies der besonderen Art:
eine Dünen-Landschaft de luxe! Zusatzplus: Touristisch unerschlossen!
Herrlich für Wanderungen, zum Genießen und Seele baumeln lassen.
Die Einfahrt zum Ankerplatz am Rande der Dünen bedarf der Planung:
die Strömung beträgt bis zu 5 Knoten und der Tidenhub bis zu 5 Meter. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist es easy going!
Lencois wird von Kanälen durchzogen und der großflächige, langgestreckte Ankerplatz „im Inneren“ bietet dadurch den Charme eines Flusses – allerdings auch die Wasserqualität: grün-braun (durch die Sand- und Schlamm-Aufwirbelungen)
Geankert wird hintereinander bzw. schräg versetzt auf einer Tiefe von rund 5 – 10 Meter.
Bei Low Tide hat man das ungewohnte Gefühl, dass der Strand nur einen Sprung entfernt ist.
Laura, eine quirlige Brasilianerin, betreibt einen der kleinen Shops mit Basis-Lebensmitteln– Auf Anfrage kocht sie auch gut und gerne aus! Kreditkarten? Keine Chance!
Trinkwasser wird aus einem Brunnen am Rande der Dünen geholt.
Ziegen, Esel und Zebus teilen sich die Weideplätze nach freier Wahl und sind dementsprechend auf den Seegras-Weiden direkt vor dem klienen Ort zu finden (bei Ebbe), im „Almenbereich“ des Insel-Inneren, in den Büschen entlang der Dünen oder auch mal IN den Dünen.
Auch der rote Ibis (nur im Norden Südamerikas anzutreffen) macht sich hier auf Futtersuche.
Lust auf 4-beinige Gesellschaft? So manche der vielen freilebenden Hunde sind für einen gemeinsamen Spaziergang bereit!
Mythos Amazonas ruft!
Legendär sind sowohl die Dimensionen dieses gigantischen Fluß- und Regenwald-Okösystems, die exotische Vielfalt an Fauna + Flora als auch die Wichtigkeit für das Weltklima.
Er erstreckt sich über 9 südamerikanische Staaten und unglaubliche 6.575 Fluss-Kilometer und nährt das größte zusammenhängende Regenwald-Gebiet der Erde.
Dieses „Kronjuwel der Weltnatur“ liegt direkt vor uns – für brasilianische Verhältnisse. ????Es wäre wohl auch eine gute Gelegenheit gewesen, als Teilnehmer der „Brasilian Rally Amazon“ die ersten über 700 Meilen (Luftlinie!) des Amazonas (bis über die Stadt Manaus hinaus) auf eigenem Kiel zu erkunden.
Wir entscheiden uns für eine Erkundung des Amazonas-Deltas – eine Umrundung der Insel Marajo!
Wir verlassen die Insel Lencois und nach 268 gemütlichen Segel-Meilen rasselt unser Anker vor der ca. 25.000-Seelen-Stadt „Soure“, in einem Seitenarm des Flusses „Para“, das erste Mal in den Boden des Amazonas-Deltas.
Nach einem interessanten Stadtausflug ergreifen wir nach einer Nacht wieder die Flucht – „Stadt“ ist in unserer Vorstellung nicht mit „Amazonas“ in Einklang zu bringen, ist einfach nicht das, was wir aktuell suchen!
Der Fluß Para, ein Seitenarm des Amazonas-Deltas, ist in seinem Mündungsbereich 30 Meilen breit – kurz vor Japiin Grande immer noch 8 Meilen! Dazwischen liegen angenehme100 Meilen (großteils unter Segel) und 2 Ankerplätze für die Nacht (nachzulesen auf Noforeignland).
Die rosaroten Amazonas-Delfine sehen wir häufig ab dem 1. Ankerplatz nach Soure – unaufdringlich ziehen sie ruhig ihres Weges, öfter noch als wir sie zu Gesicht bekommen hören wir ihre Laute, die stark an das Schnauben eines Pferdes erinnern.
4 ereignisreiche Tage in Japiin Grande folgen.
Wir werden freundlichst aufgenommen von Claudia und ihrer ganzen großen Ribeirinho-Familie! Ihre Söhne nehmen uns in den typischen Rabudos („schmale, lange und in bunten Farben hübsch bemalte Holzboote mit Rasenmähermotor, montiert auf einer langen Stange) mit zur Acai- (dem „schwarzen Gold“ der Region) und Palmherzen-Ernte, pflücken uns Kokosnüsse, Mangos und Kakaofrucht frisch vom Baum, zeigen uns Zimtbäumchen & Co ihrer für uns sehr exotischen Heimat, fahren mit uns zu einer kirchlichen Feierlichkeit und organisieren einen Schulbesuch.
Im Kreise der Familie wird uns ein Festtags-Essen aufgetischt – natürlich mit frisch gepresstem Acai-Saft.
Was für Erlebnisse!
Als allererstes ausländisches Segelboot in Japiin Grande findet „VITAMINE“ große Beachtung. Sie wird zum begehrten Ausflugsziel und Fotomotiv für die gesamte gut bevölkerte Region – der Artikel über uns in der Gemeindezeitung hat sicherlich das Seine dazu beigetragen.
Nach einem berührend-herzlichen Abschied von den Menschen in Japiin Grande bringt uns ein Schlag von 70 Meilen (unter Motor) bis zur Stadt „Breves“ mit über 50.000 Einwohnern.
Wir ankern vor 2 Tankstellen – das Auffüllen unserer Treibstoff-Vorräte erfolgt problemlos mit Kanu + Kanistern.
Nach einer Nacht „Stadt“ in Breves folgen Dschungel-Tage – Eintauchen in das Amazonas-Feeling – Durchatmen – Staunen – Genießen!
Mit Schlauch-Kanu erkunden wir kleine, immer schmäler und schmäler werdende Seitenarme, in denen die Baumreihen immer näher und näher zusammenrücken – bis wir uns schließlich um aus dem Wasser ragende Stamm-Teile herum- und tiefhängende Äste durchwinden. Wir genießen die vielfältige Geräuschkulisse und zur Zeit der Tageshitze die höchst angenehmen Temperaturen, die uns hier „im Dschungel“ umgeben.
Viele Bereiche an Land sind schlammig-morastig und nicht begehbar (endlich wissen wir, warum sich Tarzan mit Zuhilfenahme von Lianen von Baum zu Baum schwingt), und doch finden wir, ganz tief drinnen, eine Ausstiegs-Möglichkeit, bei der wir uns plötzlich auf den Spuren von Holzfällern wiederfinden – zwischen Sägespänen und geschnittenen Brettern.
Wir sind im Paradies – holt uns bloß nicht raus!“
Doch schlussendlich siegt die Vernunft: Wir sind seit Anfang September in Brasilien – unsere Aufenthaltsgenehmigung von 3 Monaten nähert sich dem Ende.
Nach einem Blick auf die Wetter-Apps setzen wir unsere Tour fort.
Die Insel Marajo verschwindet im Kielwasser und wir segeln in das „echte“ Amazonas-Delta – in den „Rio Amazonas“!
Dieser hat sehr schnell eine Überraschung für uns parat:
Das Kartenmaterial ist hier, im Hauptfluss, deutlich schlechter als im Fluss Para und den kleinen Flüsschen, die VITAMINE bis jetzt getragen haben.
Vielleicht liegt es daran, dass der Rio Amazonas in diesem Bereich zwar noch bis zu 30 Meilen breit ist (das Delta bis zu gigantischen 130 Meilen), aber diese 30 Meilen von sehr vielen großen und kleinen Inseln „durchlandet“ ist.
Das Kartenmaterial irrt sowohl bei der Lokalisation von „Land“ (und das in alle Himmelsrichtungen) als auch bei den Tiefen. Der Blick auf den Tiefenmesser wird obligatorisch.
2 x fehlt uns die berühmte „Handbreit Wasser unter´m Kiel“ und wir haben Bodenkontakt. VITAMINE gräbt sich in den Schlamm und wird seltsam steif und unbeweglich. (Einmal unter Segel, einmal bei Fahrt mit Motor)
Nach wenigen Sekunden bis Minuten (die sich allerdings gefühlt zu Stunden dehnen) schwimmen wir wieder. Glücklicherweise besteht der Untergrund aus Schlamm pur! Keine Folgeschäden (weder bei VITAMINE am Rumpf noch bei der Crew im Kopf)
Im Glanz des Vollmondes fällt unser Anker das letzte Mal im Amazonas in der Mündung des Rio „Acaituba Mouth“. Nach vor dem Morgengrauen des nächsten Tages machen wir uns auf, den Amazonas zu verlassen.
Aber ….. sooooo leicht lässt er uns nicht gehen, der Rio Amazonas:
Alle 6 h 15 min wechseln die Gezeiten. Das heißt alle 6 h 15 min geht VITAMINE nicht MIT dem Strom sondern sie hat ihn gegen sich – und zwar bis zu 5 Knoten.
Das entspricht ihrer Durchschnittsgeschwindigkeit.
Wir setzen auf Materialschonung und nehmen in Kauf, dass wir in diesen 100 Meilen Luftlinie in 6 h 15 quasi 3 Schritte vorwärtskommen und die darauffolgenden Stunden einen Schritt rückwärts antreten.
188 tatsächlich zurückgelegte Meilen und 54 Stunden später ist es soweit:
Der Amazonas liegt hinter uns – wir haben dessen Einflussbereich (er wirkt sich bis zu 150 Meilen in´s Meer hinaus aus) verlassen. Und das mit nur 8 Motorstunden!
Wir sind in der perfekten Strömung, die uns zu den „Iles du Salut“ in Französisch—Guayana tragen wird!
Unser Nord-Brasilien-Resumee:
In Brasilien zu segeln ist nicht zu vergleichen mit Mittelmeer oder Karibik. Planung und Vorbereitung ist wichtiger als in manch anderen Segelgebieten.
Strömungen entlang der Küste bis zu 4 Knoten (von Ost nach Nordost), Tidenhub in den Flüssen bis zu 5 Meter mit Strömung bis zu 5 Knoten.
Die Entfernungen von Ankerplatz zu Ankerplatz sind weiter, Ankerplätze als auch Häfen sind dünn gesät und meistens in Flüssen. Seglerische Infrastruktur fehlt fast vollständig, andere Segelboote ebenso.
Reizvoll? Für uns sehr!
An vielen Ankerplätzen haben sich überaus nette Kontakte mit den Einheimischen ergeben, ein einziges Mal haben wir einen Ankerplatz frühzeitig verlassen, weil wir kein gutes Gefühl hatten.
Eine Vielzahl von wunderbaren Erlebnissen – mit Mensch, Tier und Natur – nehmen wir aus Brasilien mit!