Gran Canaria – Gibraltar April 2018

Gran Canaria -> Mallorca
(Atlantik – Gibraltar – Mittelmeer)
3 Wochen auf „Mary-Anne“ (Beneteau 50)

erster Teilabschnitt

7 Tage hart am Wind!
schon nach ein paar Tagen 500sm nonStop

Freitag, 20. April 2018

„rattarattarattatata….“
Der Zug bringt uns mit gleichbleibend-monotonem akustischen Begleitgeräusch von Graz nach Wien – die Anreise zu unserer 1. Bootsüberstellung hat begonnen.
Mit jedem Zug-Kilometer fällt etwas von der Anspannung der letzten Wochen ab – wir tauschen unser „festes“ Zuhause für 5 Wochen mit einem bzw. mehreren „mobilen“ Zuhause und da wollen wir schließlich „Kind, Hund und Kegel“ wohlbehütet und wohlgeordnet daheim zurücklassen bzw. den braven Helferleins übergeben und auch sämtliche Reisevorbereitungen im Guten abgeschlossen haben.

Unser 2. Enkerl, Larissa, hat uns die große Freude gemacht, sie noch ein paar Tage vor unserer Abfahrt begrüßen zu dürfen – im frisch geschlüpften Zustand – knapp 20 Stunden nach der Geburt waren Kind+Mutter bereits wieder glücklich zuhause und wir durften das neue Erdenwesen als 1. Besuch bestaunen und an seinem „Bestimmungsort“ willkommen heißen!
(Menschenjunges, dies ist Dein Planet, hier ist Dein Bestimmungsort, kleines Paket, möge das Leben hier gut zu Dir sein….. (Reinhard Mey))
Vor gut 3 Jahren ereilte uns die frohe Kunde über die Geburt unseres 1. Enkerls, Leonie, auf einem Boot – vor Anker liegend in einer kroatischen Bucht….

Am Abend kommen wir am Flughafen in Las Palmas in Gran Canaria an – ein öffentlicher Bus (das Bussystem ist ausnehmend gut beschildert und organisiert) bringt uns in gut 1 Stunde zu unserer „Mary-Anne“ im Hafen Las Palmas.
Heute steht nur mehr Einstellen der Koffer, ein Fisch-Abendessen an Land, ein kleiner Hafenrundgang und der Fall in die Koje auf dem Programm!

Samstag, 21. April 2018

Frisch ausgeruht und voller Tatendrang übernehmen wir unsere „Mary-Anne“ – die Lady ist zwar schon „in den besten Jahren“ – 21 Jahre jung – dies lässt sie sich aber weder bei der Takelage noch an der Qualität der Segel anmerken und auch nicht am technischen Equipment (einzig auf den Kartenplotter im Außenbereich wurde verzichtet – okay – auch kein AIS oder Radar, aber immerhin Solarenergie!).
Und dank des Käpt´s intensiver Vorbereitungen haben wir AIS selbst mit dabei!
Außerdem besticht Mary-Anne mit einer beeindruckenden Größe des Innenlebens und mit ihren 12 Kojen (ohja – im Charterbetrieb wird sie an Crews bis zu 12 (!) Personen vermietet) bietet sie uns je einen eigenen Schrank- und Anziehraum – wir werden Platzmässig absolut verwöööööhnt! *lach* Dementsprechend groß ist auch der Wasser- und Dieseltank (4 (!) Wassertanks à 170, 170, 220 und 390 Liter und 2 Dieseltanks à 190 Liter – Luxuuuuus!)

Wir statten dem sympathisch kleinen Supermarkt mit Greißlercharakter im Hafenbereich einen Besuch ab, stellen aber doch fest, dass wir noch einen großen Bruder davon brauchen, den wir außerhalb des Hafenbereiches – aufgerüstet mit leerem Koffer als „Einkaufs-Buggy“ und Rucksack – ebenfalls aufsuchen um uns für mindestens eine Woche mit Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Utensilien des Bordalltags einzudecken – 1. Etappenziel: Madeira – ca. 270 Meilen/gut 500 Kilometer Aufkreuzkurs.

Beim Anblick des immer mehr sich füllenden Einkaufswagerls kommt der Gedanke: „Brauchen“ wir das alles? Ist das alles wirklich „lebens-notwendig“ – oder ist ein großer Teil davon Luxus, Bequemlichkeit, Kommerz und das Nicht-Verzichten-Wollen unserer Wohlstandsgesellschaft?
Die ehrliche Antwort an uns selbst: Ja – ein großer Teil davon ist letzteres.

Und so rollen wir mit unserem schwer bepackten Einkaufs-Koffer (wäre garantiert doppeltes Übergepäck *lach*) Richtung Mary-Anne ….
3 Wochen sind schließlich eine lange Zeit…. *blinzelschmunzel*

Es ist für unser Gefühl süden-untypisch kalt – auch wenn die Wettervorschau mit ihrer Gradangabe (14 bis 18 Grad) eh recht gehabt hat…. glücklicherweise ist meine magische grüne Jacke auch diesmal wieder dabei!

Unser Übergeber verteilt „Pril“ auf dem Dieselfilm, der sich hinter den Booten gebildet hat – die Übersteller-Crew des 3. Bootes, die heute eingetroffen ist und sich motiviert dem Übernehmen ihres Bootes gewidmet hat, hat den Dieseltank mit einem Wassertank verwechselt…..

Unser Übergeber erzählt uns, dass er und seine Mitarbeiter-Crew sich morgen früh Richtung Mallorca aufmachen – und damit ihre Arbeitskraft als auch ein Boot überstellen. Die mallorcanische Saison ist um vieles vielversprechender für Charteranbieter als die in Gran Canaria. Deren Zeitlimit für die Fahrt beläuft sich auf 2 Wochen – auch hier fühlen wir uns mit unseren 3 Wochen Zeitrahmen wie Dagobert im Dollar-Schwimmbecken – einfach im Überfluss.
Sein ursprünglicher Plan war es ebenfalls, über Madeira zu fahren – die übliche Route für diese Jahreszeit. Aufgrund der aktuellen Winde würde er allerdings geschätzte 5 Tage brauchen, um Madeira aufkreuzend zu erreichen. Darum hat er sich entschlossen, Gibraltar über den Nordosten, quasi entlang der afrikanischen Küste, anzusteuern, laut dem Windy-App mit viel weniger Kraftaufwand möglich – Segel setzen und über weite Strecken das Schiff tun lassen, wofür es gebaut wurde: die See durchpflügen…

Da wir zwar Newcomer in der Segelei aber aus dem Naseweis- und Besserwisser-Alter (knapp) heraussen sind (des Käpt´ns Haarpracht lässt es erahnen 😉 haben wir diesen Gedanken dankbar aufgegriffen und haben nach gegenseitigen guten Wünschen für eine gute Reise am späten Nachmittag „unsere große Reise“ angetreten: LANDLEINEN LOS!

Der Atlantik empfängt uns im wahrsten Sinne des Wortes „kühl“ – aber auch mit damit einhergehender beeindruckender Kraft und Schönheit: 4,6 Meter hohe Wellen in typischer Atlantik-Manier!

Sonntag, 22.4.2018

Die „Begrüßung“ des Atlantiks hat uns um eine Erfahrung reicher gemacht, die wir bis jetzt nur von Erzählungen anderer gekannt hatten, um etwas, das auch einem alten Seebären bei seiner 3.879. Ausfahrt erstmalig ereilen kann: ein gewisses Übelkeitsgefühl im Magen, in verschiedenen Steigerungsstufen, und so weiter und so unheiter ….. *groiiiing*
Auf einer Skala von 1 bis 10 hat´s den Käpt´n auf Stufe 8 erwischt und mich auf 2…..

Montag, 23. 4. 2018

Nichtsdestotrotz segeln wir nördlich von Fuerteventura + Lanzarote vorbei, lassen sie schließlich hinter uns und halten uns Richtung NO!
Das Wetter der ersten Tage ist geprägt von Wolken, Regen und Kälte.
Das Durchblinzeln der Sonne durch die Wolkendecke beschränkt sich auf minutenlange Besuche.
Und aus.

Das Einfinden & Wohlfühlen an Bord & auf See verläuft im Normalfall sehr schnell.
Ankommen. Das Schiff startklar machen. Den Wind, die Wellen und die Bewegungen des Bootes spüren, die Weite des Meeres erleben. Genießen.
Diesmal fällt es diesem Wohlfühl-Gefühl schwerer, an die Oberfläche zu kommen. Auf der physischen Ebene muß es sich mit der Seekrankheit auseinandersetzen, auf der psychischen Ebene mit der Kälte und Feuchtigkeit, die in jede noch so kleine Ritze zu dringen scheint – ärger als der Saharasand, der zuhause den Asthmatikern gerade das Leben schwer macht – wahrscheinlich bei schönstem Sonnenschein.

Nevertheless – always look at the bright side of life…. !

Mary-Anne pflügt verlässlich und dank Autopilot quasi selbständig Stunde um Stunde durch die Wellen. So fungiert derjenige von uns, der im Cockpit Wache schiebt als „Aufpasser“, ob wir nicht doch mal mit einem anderen Schiff auf Kollisionskurs sind (das Erste dieser Fahrt kommt bestimmt 😉 bzw. ist hin und wieder eine Änderung der Segelstellung notwendig, um sowohl unserem Ziel als auch dem Wind Genüge zu tun.

Am Abend gesellen sich zu unserer großen Freude ca. 10 Streifen-Delphine zu uns!
Ihre „Leichtigkeit des Seins“ bringt unweigerlich Freude in Herzen & Gedanken!
Wiederum beeindruckend ist die Schnelligkeit, die Wendigkeit, die Leichtigkeit ihrer Bewegungen….
Danke und „Gut Fang“!

Wir sind bereits gut 2 Tage unterwegs! 270 Meilen liegen hinter uns, bis Gibraltar ca. 450 Meilen vor uns.

Der Käpt´n packt unser hochseetaugliches Angelequipment aus – extra für diesen Törn besorgt – die nächsten Stunden haben wir den Köder samt Schnur im Schlepptau, und hoffen ebenfalls auf guten Fang – oder hoffen wir auch nicht? Ganz wohl ist uns beiden nicht bei dem Gedanken, was denn dann mit unserer Beute zu geschehen hat….

Die Dämmerung ist schon weit fortgeschritten und schon fast ist der Tag ganz der Nacht gewichen, als ein „Späher“ auftaucht: Er erkundet uns und den Bereich des Cockpits und des Niedergangs. Und er stuft uns als „vertrauenswürdig“ und die Gegebenheiten als „tauglich“ ein, denn nach kurzem Verschwinden taucht er mit seiner Gefährtin wieder auf, nach kurzem Herumgehüpfe auf dem Cockpit-Tisch und des Käptn´s Hand und eingehender interner Lagebesprechung machen es sich die 2 auf dem Holzgriff der waagrechten Niedergangsabdeckung (glücklicherweise gerade in „offen“ –Stellung bequem. Nach weiterem Getschilpe wird aneinander gekuschelt und so dürfen wir in dieser Nacht einem Schwalbenpärchen ein Platzerl zum Ausruhen bieten. 100e Meilen von der afrikanischen Küste entfernt – unglaublich, was diese kleinen Organismen leisten!!!
Als die 2 Atlantiküberflieger zur Ruhe gekommen waren, begibt sich der Käpt´n in den Salon. Beim Heraufkommen dürfte er die Schwanzfedern berührt haben und sie damit aus dem Ruhemodus aufgeschreckt haben – die 2 fliegen tschilpend davon in die Nacht. Wie schade! Möge es ihnen – trotzdem – gut ergehen!
Aber – es ist noch weit – und es ist kalt und dunkel … nach ein paar Sekunden sind sie wieder da und finden sich einen noch besseren Ausruhplatz – die Seile links vom Niedergang!
Dort können sie sich richtig „einkuscheln“ und müssen nicht wie die „Hühner auf der Stange“ das Gleichgewicht halten – Gute Nacht + gute Erholung!

Dienstag 24.4.2018

Mit der ersten Morgendämmerung setzen unsere Gäste nach kurzem Verabschiedungsgetschilpe ihren Weg fort – guten Flug, Ihr Lieben!

Am Vormittag zischt ein Delphin vorbei – viele, viele, viele Sichtungen folgen im Laufe des Tages
Jedesmal ist die Freude darüber groß, dass diese freundlichen, verspielten, neugierigen Meerestiere uns ein Stück des Wegs begleiten – und uns alleine dadurch an ihren Qualitäten (Freude, Kommunikationsfähigkeit, Wendigkeit, Beweglichkeit & Kraft) und ganz offensichtlich hoher Energie teilhaben lassen:
Oh Freude! Dienstag ist Delphintag!
Rainbow dolphin, Rainbow dolphin, do, what you want to do and go, where you want to go, because love is guiding you….

Mittwoch 25.4.2018

Nach wie vor sind wir umgeben von Pastelltönen in unterschiedlichsten Schattierungen – von blau über grau bis weiß. Der Sichtradius beträgt ca. 1 Meile – wir befinden uns auf einem runden, blau-grauen Relief-Teller mit grau-weißer „Glocke“ über uns – wir sind in unserem ganz speziellen kleinen geheimen Universum!
Hin und wieder werden wir auch heute von Delphinen „gefunden“ – sie begleiten uns ein Stück des Wegs und verfolgen dann wieder ihre eigenen Pläne, tauchen wieder in ihr eigenes Universum ab.

Der Käpt´n überlegt, die Angelschnur erneut auszuwerfen – beim 1. Versuch blieb uns ein Fang erspart.
Und er lässt es sein – frei nach einem Dialog aus Crocodile Dundee:
„Hast Du Hunger?“
„Nein“
„Warum willst Du dann töten?“

Mein Käpt´n! *blink*

Noch ein Grund zu feiern ergibt sich zu Mittag:
500 gefahrene nautische Meilen! *prost, Neptun – prost, Crew*

Ein Containerschiff taucht aus dem Nebel auf, kommt uns entgegen, zieht – relativ knapp – an uns vorbei und verschwindet wieder in´s uns umgebende „Nichts“. Innerhalb von Minuten!
Uns wird bewußt, WIE schnell so ein großer Dampfer unterwegs ist…..

Donnerstag 26.4.2018

Kleiner Unfall des Käptn´s bei der Nachtwache: bei einem Wendemanöver verlor er das Gleichgewicht, stürzte mit dem Rücken auf eine Kante (glücklicherweise abgerundet, auf Segelschiffen sinnvollerweise gang und gäbe) und durch den Aufprall blieb ihm im wahrsten Sinne des Wortes „die Luft weg“ – die Rippen haben Gott sei Dank standgehalten.

Die Flaute am Vormittag beschert ein „Treiben im Atlantik“ und wiederum Dankbarkeit für die Schönheit und das „Erleben-Dürfen“ dieser unserer kleinen Welt….

Hinter uns taucht ein kleines Boot, ein Holzboot, auf und nähert sich uns langsam. Ich beobachte es, meine, verschieden viele Menschen darauf wahrzunehmen…. Mir kommt ein Gedanke, der mir SEHR unbehaglich ist: ein Flüchtlingsboot? Was tun? Aufnehmen? Gesetzlich nicht erlaubt. Flüchten unsererseits? Ein Ding der Unmöglichkeit. Vorräte abgeben? Auf jeden Fall – ich beginne zu überlegen, welche….
Auch mit Fernglas ist für mich nichts genaueres eruierbar.
Ich sehe allerdings mittlerweile backbord von uns klassische Markierungen, wie sie Fischer an ihren Netzen anbringen.
Gott sei Dank – es hat uns in das „Hoheitsgebiet“ eines Fischers getrieben, der tatsächlich gerade sein Netz kontrollieren kommt und hoffentlich mit gutem Fangergebnis (und ohne Beifang) wieder nach Hause fährt – ER lebt schließlich davon.

Motor an und weg von Netz und Boot!

Delphine kreuzen wiederum unseren Weg – und wir und unsere frierenden Glieder erfreuen uns an etlichen Gemüt- und Körperwärmenden Sonnenstrahlen nach Tagen unter der Wolkenglocke.

Freitag 27.4.2018

Heute sind wir wieder in unserem kleinen, feinen, abgeschlossenen Universum!
Hin und wieder fliegen ein paar Vögel ein – als Gruß vom Rest der Welt bzw. als Zeichen, dass es doch noch mehr gibt als uns, das Boot & das Meer….
Der Käpt´n erklärt mir das Funkgerät (es stellt derzeit für uns die einzige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der Aussenwelt dar) – falls wieder einmal ein menschliches Wesen in´s Blickfeld kommt, das sich mit uns unterhalten möchte bzw. an dem ich meine frisch erworbenen SRC-Kenntnisse erproben könnte.

Für uns wäre es in unserer „normalen“ Welt undenkbar, auch nur einen Tag ohne Telefon, ohne Internet, ohne What´sApp zu verbringen. Dinge, die in unserer Technik- und telekommunikationsorientierten Welt einfach zum Alltag gehören.
Hier sind wir schon knapp eine Woche von diesen Möglichkeiten befreit – auf uns gestellt – mit uns alleine – für uns alleine !

Samstag 28.4.2018

In den letzten Zügen der Nacht begleiten uns Delphine – erstmalig des Nächtens gesichtet!
Ich bin am Rätseln, ob dies an den Ruhegewohnheiten der Delphine, der generell eingeschränkten Sicht in der Dunkelheit oder an meinen eingeschränkten Sinneswahrnehmungen liegt….
*blink*
Gefolgt von einem wunderschönen Sonnenaufgang – dem 2. (für uns sichtbaren) in dieser Woche!

Am Nachmittag sind es nur mehr ca. 40 Meilen bis zur Einfahrt von Gibraltar!
Und wir sind bereits eine Woche unterwegs! Eine Woche nonstop auf Mary-Anne – unglaublich!

Gibraltar ist eine „Schlüsselstelle“ für jeden Seefahrer, ein Gebiet, das aufgrund seiner Enge und dem damit verbundenen Aufeinanderprallen von Wassermengen und Küstengebieten mehr oder weniger starke Herausforderungen für die Schifffahrt bereithält – sowohl für die großen Containerschiffe als auch und umso mehr für so kleine Segelboote wie unsriges.
Außerdem ist es die Stelle, an der Europa und Afrika fast aufeinandertreffen – eine Stelle, an der man 2 Kontinente im Blickfeld hat.

Viele gute Gründe, weswegen wir eigentlich tagsüber Gibraltar durchsegeln wollen.
Jetzt sind wir kurz davor, und es ist Abend. Was tun?
Im Anfangsteil der Meerenge ist eine Bucht als Ankerplatz gekennzeichnet. Der nächstgelegene spanische Hafen, Cadiz, liegt ca. 30 Meilen nördlich.
Die Internet-Recherchen (ja! Wir sind in Küstennähe und haben wieder Internet!) vom Käpt´n ergeben, dass die Bucht anscheinend keine Ankerbucht mehr ist.
Bleibt noch Cadiz. Oder die Chance nutzen für eine letzte Nacht in der Weite des Atlantiks?
Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns für den Atlantik.

Wir nehmen Kurs gegen Westen auf – weg von der Küste – und sehen ein Motorboot in schneller Fahrt von der Küste auf uns zukommen. Wirklich zu uns? Küstenwache?
Ja – tatsächlich zu uns – tatsächlich Küstenwache.
Offensichtlich haben wir durch das Hin- und doch wieder Wegfahren von der Küste Aufmerksamkeit erregt.
Da es ein hübsches Boot ist mache ich schnell ein paar Fotos, als es bei uns vorbeifährt.
Wenn es von uns etwas möchte, wird es wohl mit uns Kontakt aufnehmen….
Tatsächlich! Das Funkgerät meldet sich!
Ich habe Gelegenheit, mein erstes Funkgespräch zu führen!
Nach der Bitte, von spanisch auf englisch zu wechseln (wir fahren schließlich nur „zufällig“ unter spanischer Flagge 😉 wechseln wir auf den Kanal 80. Auf die Frage woher wir kommen und wohin wir wollen bin ich versucht, „from Austria“ zu antworten, denke mir dann aber doch, dass dies wahrscheinlich nicht die Information ist, die für ihn interessant ist und antworte der sympathischen Stimme brav mit „from the Canares to Mallorca“.
Und: We are two people on board. Genug an Information – die Küstenwache ist beruhigt und dreht wieder ab.
Yeah! 1. Funkgespräch erfolgreich beendet!

Ca. eine Stunde später ändern wir unsere Pläne für die Nacht und entscheiden uns doch noch für den „sicheren Hafen“ – die See wird unruhiger und soll es laut Vorhersage (auf die wir ja seit kurzem wieder zugreifen können 😉 die ganze Nacht auch bleiben.
Also doch unter Motor auf nach Cadiz! Die Hafen-Einfahrt ist als nicht ganz einfach beschrieben – keine ideale Voraussetzung, um sie erstmalig in der Nacht anzusteuern, aber in Ermangelung einer Alternative wird es gut gelingen!
Der Käpt´n ist am Steuer und sein un-entspannter Gesichtsausdruck zeugt von der Kraft, die notwendig ist, um den Kurs zu halten.
Das ist die bis jetzt stürmischste See, durch die uns Mary-Anne trägt. Noch dazu gibt es einiges an Untiefen und sonstig als Gefahren gekennzeichnete Stellen auf unserer Route entlang der Küste.
Etliche Stunden später – wieder eine Planänderung:
Auf 3/4er Strecke drehen wir um: Es ist bereits nach Mitternacht und wir beschließen, uns diese Nacht DOCH auf dem Atlantik „um die Ohren zu hauen“, um nicht den morgigen Tag mit Hinfahrt nach Gibraltar zu verbringen und evtl. wieder NICHT durchzufahren.
Also retour – jetzt MIT den Wellen, was die Lage deutlich entschärft und es dauert nicht allzulange, nimmt auch der Wind wieder ab und die Rückfahrt gestaltet sich, begleitet von gelegentlichen Regenschauern, als relativ gemütlich.

Sonntag 29.4.2018

In der Früh hängt ein dicker, dunkler Regen- und Wolkenvorhang vor Gibraltar – mein Fotoapparat freut sich über schöne Bilder vom doppelten Regenbogen mit vor Anker und in der Sonne liegendem Frachtschiff.
Mitte Vormittag klart es auf – wir nehmen Kurs auf – Gibraltar, wir kommen!

Bei wunderschönem Sonnenschein und gemütlicher Welle von hinten gleiten wir in die Meerenge hinein, die sich uns von ihrer wohl schönsten Seite zeigt!

„Unverhofft kommt oft“, heißt es, und so „passiert“ es uns, das wir – vollkommen ungeplanterweise und nicht darauf hinarbeitend und nie daran gedacht habend – ca. 2 Meilen vor dem Hafen von Gibraltar die 1.000ste gefahrene Meile NONSTOP feiern!
8 Nächte und 7 ½ Tage in Fahrt auf Mary-Anne – Zeit, um unserer braven Beneteau 50 ein dickes Lob auszusprechen: du bist SUUUUUPER!

Wir tuckern am frühen Nachmittag gemütlich in den großen Hafenbereich von Gibraltar ein – erstmalig umgeben von vielen Giganten, die wir gebührend bestaunen – und finden glücklich die recht versteckt angelegte Einfahrt für unser Zwergalboot.

Viele Segelboote sehen wir zwar nicht, aber wir tuckern an einigen Jollen vorbei und legen uns längs zu einem Segelboot an den Kai. Kein Marineur in Sicht. Das Anlegemanöver des Käpt´ns gestaltet sich so perfekt, dass es für einen evtl. Beobachter den Anschein gehabt haben muß, daß dieser Mann mit diesem Boot schon tausendemale angelegt hat! Also Hafenkino in Kurzfassung, ohne Sondereinlage für die Lachmuskeln. Fazit: 1. Anlegemanöver zu zweit hervorragend absolviert – wer braucht schon einen Marineur ;-).

Nach genauerer Beurteilung der Lage dämmert es uns: Wir sind hier im Privatbereich eines Segelclubs, der noch geschlossen ist – Vorsaison hab Dank.
Vorteil: es ist sehr ruhig
Nachteil: wir sind in einem landwärts abgeschlossenen Bereich – kein Stadtgang möglich.
Nun ja – passt uns für heute sehr gut – wir bleiben gerne auf Mary-Anne!
Die Customs-Boote, die hin und wieder an uns vorbeituckern, weil sie im gleichen Bereich an einem anderen Steg liegen, werden von uns freundlich gegrüßt und das Abendessen an Bord schmeckt hervorragend.
Ab in die Koje! Endlich wieder einmal gemeinsam!

Montag 30.4.2018

Die Mädls vom örtlichen Ruderclub bekommen morgendliche Trainingseinheiten vom englischsprachigen Ruder-Profi – eine Möglichkeit, meine Kenntnisse über richtige Ruder-Taktik zu erweitern – unverhofft kommt oft!
Als mir sehr sympathischen Ansatz nehme ich mit: Let the boat in the flow! ( = das Boot gleiten lassen = die Ruderbewegung ausführen und dann die Vorwärtsbewegung des Bootes zulassen/ausnutzen und den eigenen Körper für die nächste Ruder-Bewegung entsprechend vorsichtig und um die entsprechenden milli-sekunden zeitverzögert wieder nach vorne führen)

Für den Rest des sonntäglichen Vormittags genießen wir gemütliches Hafen-Leben in unserem „Privat-Hafen“.

Gegen Mittag verlassen wir die holde Stätte, um uns doch noch in einen Bereich mit mehr „Brüdern + Schwestern“ zu legen – die Affen des Felsen von Gibraltar, die St. Michael´s-Höhle, der Botanische Garten und das zu Fuß durchquerbare Rollfeld des Flughafens rufen uns – ein bißchen wollen wir schon auch tun, was Touris eben so tun…. *blink*

Umgehend finden wir uns in der Warteschleife des Hafenbeckens wieder – der Hafenbeamte auf Kanal 72 lässt verlauten: Go ahead! Das war´s mit den Meldungen vom Kanal 72. Nach 1 guten Stunde kreisen (gemeinsam mit einem Motorboot, das kurze Zeit vor uns eingelaufen ist) beschließen wir, einen der vielen freien Liegeplätze anzupeilen, anzulegen und uns dann beim Hafenamt direkt zu melden.
Liegeplatz gewählt, angelegt, ein bißchen Hafenkino genossen bei Beobachtung des Segelschul-Bootes, das neben uns Anlegemanöver trainiert – und wir beschliessen: auch wenn wir auf einem Segelschul-Bootsplatz liegen: So schnell bringt uns hier keiner mehr weg !
Der Mann des Hafenamtes hat es dann doch recht schnell geschafft, indem er uns sagte, dass Ebbe + der Tiefgang unseres Bootes nicht mit „immer eine Handbreit Wasser unter´m Kiel“ vereinbar ist.
Gut – wir wollen ja mal nicht so sein – wir legen nochmal ab und einen Pier weiter hinten wieder an. Dort ist es zwar nicht tiefer, aber der Untergrund ist Schlamm (im Gegensatz zum steinigen Untergrund des 1. Anlegeplatzes).

Und wir erfahren auch, dass sich die „Warteschleife“ daraus ergeben hat, dass der 2. Hafenbeamte die Mittagspause für die Geburtstagsfeier seines Cousins genutzt hat – na dann – ist ja alles klar *lol*.