„Vitamine“ & wir – auf gen Süden – erklärtes Ziel: die Tremiti-Inseln!

On Tour

Den ganzen Sommer über haben wir uns auf diese Herbstfahrt mit unserer Vitamine gefreut – die erste Langstrecke, seit Vitamine Österreicherin und somit unsere Vitamine ist, die erste Langstrecke nach den intensiven  Erneuerungs-, Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten vom Käpt´n und seinen fleissigen Helfern im vergangenen Winter und auch noch über´s heurige Jahr verteilt.

Arbeiten, bei denen Vitamine, die robuste, solide, gut gebaute und in den letzten Jahrzehnten vom Vorbesitzer liebevoll umhegte und gepflegte gediegene Lady, zu „unserer“ Vitamine wurde – nunmehr ausgestattet mit moderner Navigations-Technik, neuen Verkabelungen vom Bug bis zum Heck, LED-Lampen, Rotlicht zur nächtlichen Augenschonung (ein Schelm, wer anderes denkt *lach*), neuen Polsterbezügen, Überdenken des Sortiments in den verschiedensten Laden, Freilegen + Pflegeanstrich der hübschen Bodenbretter, Erneuerung der Fallen & Schoten, Ausbesserungsarbeiten am Kiel unter der Wasserlinie, Politur über der Wasserlinie und so weiter und so heiter….

Ein kleines Rundum-Tuning eben – schließlich haben wir noch viel vor mit ihr!

Und JETZT ist es soweit!

„LEINEN LOS“ zu unserer 1. Langfahrt mit Vitamine !

Um ca. 1 Uhr legen wir am Freitag, den 20. September 2019, in Cervignano ab und bringen die beschauliche Nachtruhe auf der Aussa kurzfristig in leichtes Ungleichwicht – ein paar Enten beratschlagen lautstark, ob diese unübliche nächtliche Aktivität mit der Mondphase generell oder den Portaltagen à là Maya-Kalender im Speziellen in Zusammenhang gebracht werden kann…

Im weiteren Verlauf zeigt sich das Wasservolk von unserem langsamen Vorbeituckern unbeeindruckt und der recht zentral stehende Halbmond leuchtet uns gut den Weg hinaus in die Lagune.

Die Wettervorhersage hat recht – die Bora bläst uns mit 20-25 Knoten und sehr kurzer Welle mit 3er-Reff gen Süden! Wie genial für unseren Plan! Um 13 Uhr, nach 12 Stunden Fahrzeit (inclusive Kanaltuckern) haben wir bereits 52 nm zurückgelegt – 52 nm Richtung gestecktes Ziel!

Die Flaute am Nachmittag war auch prognostiziert – aber weniger genial für des Käpt´ns Akklimatisations-Phase – denn in Verbindung mit der noch gebliebenen sehr kurzwelligen See kommt Vitamine in´s Rollen… und rollt… und rollt…. und rollt….

Als eine von derlei Thematik nur ganz peripher Betroffene bot sich mir ein anderer Blickwinkel auf das Szenario und in mir keimte der Gedanke : Vitamine tanzt! Frisch, fröhlich + ungebunden, frei von sämtlichen Zwängen tanzt sie hingebungsvoll und zutiefst verbunden mit „ihrem“ Element – welch ein schöner Auftakt unserer Reise!

Später am Nachmittag werfen wir den Motor an und brav tuckert Vitamine in ein wunderschönes Abendrot.

In der Nacht haben wir wieder guten Segelwind, sodass wir nach 25 ½ Stunden (um 2 h 30) bereits 101 nm zurückgelegt haben!

Bei angenehmen 20 ° C im Salon lässt sich´s in den „dienstfreien“ Zeiten gut „wohnen“!

Beim Frühstückstee zu Sonnenaufgang stellen wir fest, dass wir ein „MOB-Training“ verpasst haben, weil wir schlichtweg nicht mitbekommen haben, dass etwas, nämlich eine unserer Gasflaschen, über Bord gegangen ist – irgenwo irgenwann in der Nacht! Den Frühstückstee haben wir der uns verbliebenen Gasflasche zu verdanken, die ihrer (jüngeren) Kollegin evtl. gerne gefolgt wäre, aber sich mittels Gas-Schlauch Vitamine zu sehr verbunden fühlte. Gott sei Dank. Und hoffentlich wird die frei schwimmende Kollegin von der Crew eines anderen Schiffes entdeckt und wohlwollend an Bord genommen. Möge sie dort gute Dienste leisten – natürlich erst, wenn sie beschließt, ihren abenteuerlichen Ausflug in die Freiheit beenden zu wollen.

Am Vormittag vergnügen wir uns mit dem erstmaligen In´s-Wasser-Lassen unseres Rettungsringes, – er dürfte die Geburtsstunde von Vitamine miterlebt haben und erscheint in leicht porösem Zustand strahlt aber nichtsdestotrotz in knalligem Orange – verhelfen ihm zu einer Schwimmstunde (tatsächlich – er KANN es!) und nutzen ihn und die Schwimmleine als Badehilfe. Bei der Gelegenheit rollen wir die wieder getrocknete Schwimmleine neu auf und verkürzen sie um das Stück, das die letzten Jahrzehnte im Freien verbracht und somit Wind+Wetter ausgesetzt war – pastelliges gelb-orange wird zu neonfärbigem gelb-orange!)

Trotzdem beschließen wir, uns noch einen 2. Rettungsring zuzulegen, einen MIT Licht und OHNE Leine und somit fester Verbindung mit Vitamine. Außerdem mache ich mich mit der MOB-Funktion des Plotters vertraut und wir holen unsere Rettungswesten incl. Gurten aus dem Schrank – um sie gewohnt zu werden –

 schließlich haben wir ja noch viel vor…

Aber für´s Erste tuckern wir der angesagten Flaute davon und beschließen, in Ancona in die Marina Dorina einzulaufen – ein bißchen Landgang – unverhofft kommt oft!

Die supernetten Marineure sind ein Anlegen wert! Zu Ancona selbst können wir nur eine Information liefern: Marina Dorina ist weit, weit weg vom Zentrum – wer wirklich hin will sei gut bei Fuß durch Industriegebiet oder nehme sich ein Taxi. Wir haben beschlossen, es uns auf Vitamine gemütlich zu machen….

Der Besuch bei der Tankstelle am nächsten Morgen rundet das angenehme Marina-Bild ab: ein äußerst netter Tankwart, der kein Interesse hat, China oder Japan zu besuchen, sondern seinen nächsten Urlaub wieder in Schweden verbringen will, weil er die nordische Flora + Fauna liebt. Wer weiß – vielleicht stattet er nach unserem Gespräch auch Österreich mal einen Besuch ab – Austria ist schließlich näher und billiger und MINDESTENS ebenso schön! *smile*

Der Käpt´n studiert wiederholt die Forecast-Meldungen auf verschiedenen Seiten und kommt zu dem Schluß: sowohl wiederholte Flauten und lange Regenfälle als auch Wind aus der „falschen“ Richtung (rein subjektiv von unserem kleinen Tremiti-Cervignano-Horizont aus betrachtet) stellen  eine Vielzahl von Faktoren dar, die – angesichts unseres recht knapp kalkulierten Zeitfensters – eine Planänderung für sinnvoll erachten lassen.

Ich bin unbeeindruckt + gelassen – mein persönliches Ziel dieser Reise wurde bereits erreicht: Es kam bereits leichte Wehmut in mir auf, dass wir in ein paar Tagen doch tatsächlich wieder „zurück“ müssen, dass diese „Fahrt gen Süden“ nur ein kurzer Abstecher ist. Ich habe „Lust auf Meer“ bekommen bzw. wurde meine gefühlte „Lust auf Meer“ bestätigt – ob wir Tremiti bei dieser Reise erreichen oder nicht ist nebensächlich – der Weg ist das Ziel!

Und ich weiß ja – wir haben noch viel vor! *smile*

Die Planänderung hat den Vorteil, dass wir uns vom Wind „fortblasen“ lassen können – was für heute, jetzt und hier heisst: ab in den Osten! In erfrischender Schräglage schießen wir hinaus und genießen das Segler-Leben! Eine schnittige italienische Yacht fühlt wohl ähnlich und findet auch Gefallen an Vitamine – wir werden gefilmt! Das bringt uns auf den Gedanken, auch diese schnittige italienische Yacht zu filmen. Beim Versuch des gedanklichen Austausches, wie wir gegenseitig zum Filmmaterial kommen könnten, fabriziert Vitamine einen überschwenglichen  Annäherungsversuch – sie schert nach links aus – und kommt somit in gefährliche Nähe des 2. Bootes. Dank der beiden schnell reagierenden Kapitäne ist nix passiert – Bootkuscheln kommt halt nur mit gut sitzenden Fendern & in Ruhe richtig gut!

Besuch einer schnittigen italienischen Yacht

So haben wir Filmmaterial von einem anderen schnittigen Boot – und das italienische Pärchen detto….

Dieser interessanten, bewegten, vergnüglichen „Fahrt in´s Blaue“ folgt eine ebensolche „Fahrt im Schwarzen”.

Am nächsten Vormittag ankern wir nach ein paar Motorstunden ca. eine Meile bei 12,8 m Tiefe vor Pedoso. Der Käptn braucht eine gute Internetverbindung für eine TelKo. Und ich habe Zeit, bei Strahlewetter und leichter Brise die Backskiste im Heck genauer zu begutachten, die Leinen zu inventarisieren (was wir alles haben!) den 2.Anker an´s Licht und die darunter befindlichen Teppiche trocken zu legen…..

Später am Nachmittag zieht es von allen Seiten zu und von Land nähert sich die Regenfront – wir packen die „Backskiste neu“ wieder z´sam, setzen die Segel, lichten den Anker – und bemerken, wie ein gut motorisiertes graues Schlauchboot direkt auf uns zu kommt. „Financia“ oder so ähnlich ist zu lesen – wir sehen uns um, ob sich hinter uns ein potentieller Steuersünder versteckt – leider nein – wir sind allein auf weiter Flur bzw. See. Gut – sie kommen zu uns – trotz des herannahenden Unwetters – so wichtig sind wir? Wir schalten den Funk ein und grüßen schonmal freundlich hinüber. Es wird zurückgegrüßt und der Griff zum Funkgerät lässt mich nach unten entschwinden – schließllich habe ich ja Erfahrung hinsichtlich Funk mit offiziellen Stellen – war doch der erste „echte“ Funkspruch meines Lebens mit der portugiesischen Küstenwache! Aber diesmal kommt es nicht zu dieser Art der Kommunikation, die „Financia“ hat die Steuererklärung, die sich der Käpt´n schnell aus dem Polo-Ärmel geschüttelt hatte, akzeptiert, „have a good trip“-gewunschen und ist wieder Richtung Festland entschwunden. *lach*

Defacto wollte wohl die Küstenwache nachsehen, ob wir Hilfe brauchen – gerade auch in Hinblick auf das heranziehende Unwetter – und es ist wohl eine unübliche Gegend zum „Vor Anker liegen“.  Sehr aufmerksam – sehr nett! Mille grazie!

Aber jetzt – wir nehmen Fahrt auf – die nächste Nachtfahrt liegt vor uns!

DAS sind Momente auf See! Einfach nur schön!

Sie beginnt mit starkem Regen, vielen Böen bis 35 kn, Wind zwischen 20-25 Kn & bewegter Kreuzsee und als Draufgabe: viele Fischerboote.  Wir sind nunmal gerne allein unterwegs – also weg vom Land – hinaus auf´s Meer!

Es folgt ein Schlag nach Osten, bis zur Berufsschiffahrtsroute. Da wir den dicken Brummern gerne die Vorfahrt lassen,  kreuzen wir nach WNW auf, was allerdings wiederum ein Kuscheln mit den vielen Netzschleppern bedingt – einmal quer durch die dicken Brummer bzw. deren Schiffahrtsroute – ab in den Osten!

Der nächste Tag beginnt strahlend, gefolgt vom Aufziehen von Regenfronten in 3 Himmelsrichtungen – ein interessanter Anblick! Die Entscheidung fällt leicht – schließlich sind wir ja auch nicht mehr Tremiti-gebunden – wir nehmen Himmelsrichtung Nr. 4 – was wiederum heißt: ab in den Osten – Richtung Kornat! Und in diesem Falle: Ab in die Sonne! Die Welt versinkt unter Wolken & Regen – und über uns: blauer Himmel + Sonnenschein!

Sonnen – Lesen – Genießen – Leben !

Am Abend bringt uns höchst angenehmer Segelwind in den Sonnenuntergang vor uns – Licht- und Wasserspiele auf dem Meer in Harmonie mit dem Mann, den ich liebe – das Leben ist schön!

Ein Himmel mit Millionen von Sternen begleitet uns auch durch diese Segel-Nacht! Das ist der Stoff, aus dem Träume gewebt werden!

Ab 4 Uhr früh bleibt uns der Sternenhimmel incl. Sichelmond treu, der Wind legt eine Pause ein – trotzdem bewegen wir uns, der Strömung sei Dank, mit ca. 0,5 kn auf unser Ziel zu.

Tagsüber gleiten wir mit einem leichten SSW-Wind elegant und friedlich parallel zur kroatischen 12 Meilen-Grenze – nein, wir klarieren in Kroatien nicht ein – wir bleiben friedlich international!

So segeln wir gemütlich dahin… der Käpt´n geht unüblich früh in die Koje – ob er schon geahnt hat, dass es in der Nacht “heiß” hergehen könnte? Vitamine zieht gelassen ihre Spur – es wird dunkel – ein Stern nach dem anderen beginnt zu blinken…. wir fahren unter voller Besegelung, ich vertreibe mir die Zeit mit dem Versuch, die Blitze, die weit, weit weg am Horizont in einem ¾ Kreis rund um mich auftauchen, mit meiner Handykamera festzuhalten…

Erstmalig haben wir im Salon in dieser Woche einen “Plotter-Nachbau” – so dass wir uns einen Plotter-Überblick auch im warmen Salon verschaffen können und nur hin und wieder (so im ½ h- Takt) einen Rundum-Kontroll-Blick nach draussen werfen – eine große Annehmlichkeit  für den wache-schiebenden Nachtposten!

Und so liege ich unten im Salon und bemerke eine Änderung in der Geräuschkulisse – aus dem regelmässigen “Durch-das-Wasser-Rauschen“ mit den typischen Vitamine-Tönen wird ein unregelmässiges Segelschlagen – also hinauf auf´s Deck. Tatsächlich – der Wind hat nachgelassen, es ist geradezu windstill, so dass der Autopilot den Kurs nicht mehr halten kann – ich stelle ihn dienstfrei und entlasse ihn in die wohlverdiente Pause. Während ich noch überlege, ob die Segel gleich zu reffen sind oder sich ein bißchen Geduld auszahlen könnte, weil der Wind eh schnell wieder da ist – ist zweiteres eingetreten: es beginnt zu regnen – nein, es beginnt zu schütten, und der Wind ist auch wieder da – eine ganze Wind-Groß-Familie! Somit ist klar: Reffen und das dringend – wer weiß, wie sich´s noch entwickelt. Ich schmeisse den Käpt´n aus der Koje mit den Worten: “Käpt´n – könntest Du bitte mal kurz den Sachverhalt begutachten?” – okay – das Wörtchen “kurz” war schlichtweg überflüssig und verfälschte evtl. Etwas den Sachverhalt. Nichtsdestotrotz steht der Käpt´n innerhalb kürzester Zeit (objektiver Eindruck) bzw. Immerhin innerhalb von “ewig” anmutenden Minuten (subjektiver Eindruck) incl. Rettungsweste an Deck und meint: “Wow – Äktschn!”  Mittlerweile windet sich Vitamine ächzend unter Sturm+Regen+Segeldruck. Kurze Zeit später sind die Segel verräumt – ein Aufatmen bei Vitamine + ihrer Crew. Wiederum kurze Zeit später hört es so plötzlich auf zu regenen, wie es begonnen hat, der Wind hat sich wieder zu einem angenehmen Segel-Wind reduziert, die aufgewühlte See glättet sich, Vitamine gleitet wieder… nur die nassen Klamotten, das nasse Feeling darunter und das rundum triefende Deck zeugen von der wilden, nahen Vergangenheit…

Wow! Solche Erlebnisse wären perfekt bei Team-Zusammenhalt&Stärkungs-Workshops! *lach*

Wir kehren in den “Segel-Nacht-Alltag” zurück – jetzt ziehe ich mich zurück, und der Käpt´n segelt in die Nacht –  Richtung “Engstelle” Bohrturm und Berufsschiffahrtsstrecke.

Ich komme wieder in den Genuß der Morgenstimmung: Langsam, gaaanz langsam beginnen die Wellen, sich deutlicher abzuheben, das “Schwarz” der Nacht wechselt in dunkelgrau, die Sterne schalten ihr Licht wieder aus, die Umgebung wird klarer, die Helligkeit “flutet” mehr und mehr über das Dunkel der Nacht. Jedesmal wieder die Faszination des Neu-Beginns, der Veränderung, der neuen Schöpfung von “Leben” und das Staunen über die Vollkommenheit und die Wunder der Mutter Erde….

Genußsegeln Richtung Cervignano – back home – nach 6 Tagen und 21 Stunden “unterwegs” wieder Anlegen an Platz Nr. 22.