Vitamine hat den Großteil ihrer Zeit in ihrer Wahl-Heimat Italien verbracht. Nach der Geburt und Jungfernfahrt in Schweden hat sie einige Kindheitsjahre wohl behütet am Bodensee verbracht und als Jugendliche hat sie sich nach Italien aufgemacht , hier ist sie – ebenfalls wohlbehütet – geblieben.
Und nun ist sie mit uns on tour – auf den Weiten des Ionischen Meeres – zwischen Zakynthos in Griechenland und der Stiefelsohle Italiens – zurück nach Italien – auf in den Westen!
Auf zur westlichen Abgrenzung des Ionischen Meeres – zur Straße von Messina!
Die Straße von Messina liegt zwischen italienischem Festland und Sizilien und diese Meerenge stellt den Übergang vom Ionischen Meer in´s Thyrrenische Meer dar. Im Norden ist die geografische Grenze zur Adria die Straße von Otranto, (wir hatten schon Etwas weiter nördlich von Italien nach Albanien übergesetzt), im Osten der Kanal von Korinth (den wir auf den Weg nach Athen gerne passiert hätten, der aber aufgrund von massiven Felseinstürzen seit Monaten unpassierbar ist) und im Süden geht das Ionische Meer „einfach so“ in´s offene Mittelmeer, als Libyisches Meer bezeichnet, über (in etwa auf Höhe der Südspitze Siziliens und des Peloponnes).
Im Ionischen Meer liegt auch die tiefste Stelle des Mittelmeeres: Das Calypsotief mit stolzen 5.109 Metern. Keine 60 Kilometer also nur um die 30 Meilen westsüdwestlich von Methoni (an der SW-Spitze des Peloponnes) entfernt.
Seit dem Auslaufen segeln wir hart am Wind, die ersten Stunden mit schönstem Aufkreuzen und einem Schreckmoment: kündigt sich bereits jetzt eine Flaute an?
Sepp´s Seebeine sind noch nicht ganz gewachsen – wir müssten gleich zu Beginn den Motor anwerfen, um das so unangenehme Rollen zu vermeiden.
Wie schön! Der Wind bleibt uns hold! Gleichmäßig und beständig (sowohl die Stärke als auch die Richtung betreffend) weht es in den folgenden Stunden mit 22 bis 27 Knoten von NW. Mit dem Kurs so hart am Wind wie möglich, sind wir nur ganz leicht südlich der Geraden, die uns mit unserem gesetzten Wegpunkt (dem ungefähren Ziel südlich des Sohlenballens des italienischen Stiefels) verbindet. Und so segeln wir genüsslich viele Stunden in den Westen, ohne Veränderung der Segelstellung.
Nach 25 Stunden haben wir bereits fast 130 Meilen von den 280 Meilen bis zu unserem Wegpunkt zurückgelegt.
Durch den Zick-Zack-Kurs (dem Aufkreuzen zu Beginn), um noch ein Stück weiter in den Norden zu kommen, sind es noch ein paar Meilen mehr, die wir tatsächlich im Kielwasser gelassen haben.
Flauten gibt es hier im Revier herum aktuell viele! Der Käpt´n hatte akribisch seit Wochen die Wetter-Vorhersagen studiert und schließlich das passende Wetterfenster gefunden. Nach 2 Wochen „warten“ (schön war´s noch in Griechenland!) auf den richtigen Wind wird es langsam knapp – schließlich haben wir Ende August ein Date in Palermo an der NW-Küste Siziliens! Wir waren auch gar nicht wählerisch – Wind aus 3 Himmelsrichtungen (N/O/S) und auch jeweils gemixt mit West – nehmen wir alles – nur nicht die ganze Strecke West-Wind, denn das würde bedeuten: die ganze Strecke den Wind genau auf die Nase bzw. Vitamine´s hübschen Bug.
Der Admiral scheint sich in seiner Suite „Sprossenglas“ im Großraum Waschbecken wohlzufühlen.
Er hängt an der Schlafzimmer-Decke ab oder geruht, es sich auf der zusammengerollten, in Zuckerwasser getränkten Coach alias Küchenrolle im Ess-Wohnzimmer niederzulassen.
Wir fühlen uns auch wohl. Sauwohl. Seebärliwohl.
Der Nachmittag vergeht mit „Einschaukeln“. Sowohl physisch als auch psychisch. Unser Innenohr und Gehirn muss sich an die ständig wechselnden und noch dazu unregelmäßigen Bewegungen gewöhnen. Besonders schwierig, wenn wir uns im Bauch von Vitamine aufhalten, und das Auge ganz andere Informationen an´s Gehirn liefert als das Innenohr.
Der Geist schaukelt sich ebenfalls ein und stimmt sich ein auf „Veränderung“, auf „neue Ufer“, auf all das kommende Unbekannte, Neue und Ungewisse.
Gewohntes hinter sich zu lassen ist wohl immer ein Schritt „mit gemischten Gefühlen“.
Besonders, wenn das Gewohnte mit so positiven und wohlfühligen Erinnerungen verknüpft ist wie unsere letzten Monate.
Wie oft wird es uns wohl noch so ergehen? Wie oft werden wir ein Land, einen Ort und dessen Menschen verlassen, in Entdecker-Vorfreude auf „Neues“ und „Unbekanntes“ und doch auch mit „Abschiedsschmerz“?
Wir wünschen uns:
Oft! Hoffentlich sehr oft!
Am Abend hören wir nach langem wieder einmal den Namen unseres Bootes auf Kanal 16, dem offiziellen Notruf- und Kontaktaufnahmekanal im Funkverkehr. Vitamine wird gerufen.
Frachtschiff „Hermania“, stolze 151 Meter lang, 22 Meter breit und 9 Meter tief, funkt uns an. Wir haben die gleiche Richtung, fahren sozusagen auf der gleichen Spur, und deren 9,9 Knoten führen im Vegleich zu unseren 3,3 Knoten zwangsläufig zu einem Überholmanöver.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit und nur noch eine Frage ist offen: steuer- oder backbord. Das gilt es zu klären bzw. auszumachen. Ob nämlich rechts oder links überholt wird, ist in der Schifffahrt nicht dezidiert festgehalten weil von zu vielen Faktoren abhängig.
Wir sind nicht in einem Bereich, der offiziell als Schifffahrtsroute gekennzeichnet ist, daher gilt die Regel: Segelboot (sofern es unter Segel unterwegs ist) hat Vorrang vor Motorboot.
Nicht, dass Hermania einerseits den kleinen Rempler am Bug überhaupt registrieren würde, wenn sie uns „zur Brust nehmen“ würde, und Vitamine andererseits auf ihre Vorfahrt pochen würde. David weiß um die Kraft von Goliath.
Ein Schiff mit Vorfahrt hat KurshaltePFLICHT und macht sich im Ernstfall durch eine Änderung des Kurses und damit Verzicht auf die Vorfahrt schuldig.
Aber Vorschrift ist Vorschrift. Und Schnaps ist Schnaps.
Den Schnaps verleibt sich der Funker der Hermania vielleicht nach Dienstschluss ein – im Dienst meldet er sich vorbildlich, sehr höflich („Good evening, Madame……“) und gewissenhaft bereits in 4 Meilen Entfernung.